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„Die Ukraine, korrupter Journalismus und der Glaube der Atlantiker“

„Karel von Wolferen setzt sich kritisch mit der NATO und den Atlantikern, mit der amerikanischen Politik und der Rolle der Neokonservativen auseinander. Er sieht im Versagen der Medien eine der großen Ursachen für die Fehlentwicklung. Die deutschen Medien überschätzt er allerdings, vor allem den „Spiegel“, und wohl auch die in Deutschland entscheidenden Personen Merkel und Steinmeier. Aber dieses Manko beschädigt nicht den Gesamteindruck.“

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Krieg und Frieden: Frage, Gegenfrage und keine Antwort

Rheinische Post am 8.8.2014, Kolumne aus der Reihe „politisch inkorrekt“:

„Eine ernst gemeinte Frage an die Pazifisten

Gewalt ist keine Lösung - so lautet das unverrückbare Credo vieler Menschen in Deutschland, die fernab von Folter und Terror lebend darüber philosophieren, warum jeder Militäreinsatz kompromisslos abzulehnen ist. Dann werden wir also mal konkret.

Bedingt durch aktuelle Ereignisse habe ich mich an dieser Stelle in den vergangenen Wochen viel mit kriegerischen Konflikten beschäftigt. Ungewöhnlich viele Leser haben dazu geschrieben, mir widersprochen oder zugestimmt - oftmals mit starken Argumenten. Sehr beeindruckt haben mich dabei diejenigen, die für bedingungslose Friedfertigkeit plädieren. Wer würde nicht gern in einer friedvollen Welt leben? Aber, das muss ich hinzufügen: Sie haben mich nicht überzeugt.

Machen wir also heute die Probe aufs Exempel. Im Irak wütet seit Wochen eine islamistische Terrorgruppe namens Isis, deren Kämpfer Al Qaida wie eine Amateurveranstaltung aussehen lassen. Tausende Dschihadisten haben inzwischen große Teile des Irak und Syriens unter Kontrolle. Sie rücken auf Bagdad vor, sie rücken gegen die Kurden vor. Vor allem aber: Sie töten rücksichtslos jeden, der sich ihnen entgegenstellt. Sie töten vornehmlich Christen, was in Deutschland erstaunlich wenige Menschen in Politik und Medien zu interessieren scheint. Sie behandeln Frauen wie Tiere und veranstalten Massenbeschneidungen. Und sie dokumentieren ihren Terror auf Bildern und Filmen fürs Internet. Schreckliche Videos sind da zu sehen mit Leichenbergen, Frauen und Kindern von Kugeln durchsiebt, riesige Blutlachen drumherum. Und ich übertreibe nicht, ich habe es mit eigenen Augen gesehen.

Das sind keine Leute, die über irgendetwas mit irgendwem verhandeln wollen. Isis hat keine Diplomaten und Forderungen. Sie wollen herrschen und töten. Nun kann man sagen: Hätten sich die Vereinigten Staaten im Nahen Osten nicht eingemischt, wäre das alles nicht passiert. Lasse ich mal so stehen, auch wenn ich es nicht so sehe und die Folterkammern und Giftgaseinsätze Saddam Husseins nicht für eine erstrebenswerte Alternative halte.

Aber meine ganz konkrete und ernst gemeinte Frage an die Pazifisten: Wie stoppt man das Morden der Isis ohne Einsatz massiver militärischer Gewalt? Oder was ist die Alternative? Wegschauen? Überlassen wir die nach UN-Angaben derzeit 200 000 Menschen, die auf der Flucht sind, ihrem Schicksal?

Von unserer sogenannten Friedensbewegung erwarte ich nichts. Die demonstrieren zu Ostern gegen die Bundeswehr und kümmern sich um verfolgte Christen im Irak ebenso wenig wie um die Ukraine oder Nordkoreas Atomtests. Erst wenn irgendwo ein US-Soldat am Horizont auftaucht, sind diese Heuchler wieder da.

Aber von den aus ehrlicher Überzeugung geleiteten Pazifisten würde ich gern erfahren, wo beim Isis-Vormarsch die friedliche Lösung ist, die ich nicht zu erkennen vermag.“

Meine Antwort am 8.8.2014:

Die Erkenntnis, dass Gewalt ist keine Lösung ist, speist sich nicht aus allgemeiner Wohllebe oder der Tatsache, fern ab von Folter und Terror zu leben, sondern hat mit Ethik zu tun. Das muss einem Kommentator einer Zeitung für Politik und christliche Kultur nicht näher erläutert werden.

Die „Probe aufs Exempel“ erinnert mich an die Befragung eines Kriegsdienstverweigerers. „Sie gehen nachts im Park mit ihrer Freundin spazieren und haben zufällig ihre MG dabei. Plötzlich kommt aus einem Gebüsch ein Russe, der sie töten und ihre Freundin vergewaltigen möchte. Was tun Sie?“

Sie beschreiben die aktuellen Gräuel im Irak. Dass Sie sie mit eigenen Augen gesehen haben, kann ich mir kaum vorstellen. Sie haben wahrscheinlich Bilder und Videos gesehen. Der Unterschied könnte Ihnen als jemand, der beruflich mit Medien zu tun hat, bekannt sein. Lasse ich aber trotzdem mal so stehen. Vielleicht waren sie ja auch vor Ort.

Den Einwand, dass dies eine Vorgeschichte unter heftiger Beteiligung der Vereinigten Staaten hat, wischen Sie damit weg, dass sie die Folterkammern und Giftgaseinsätze Saddam Husseins nicht für eine erstrebenswerte Alternative halten. Denken Sie bitte aber auch Waterboarding und den Einsatz von Uran-Munition wegen der immer noch täglich behinderte Kinder geboren werden.

War dieser Krieg mit der „Suche nach Massenvernichtungswaffen“ und die menschenrechtsfreie Deportation nach Guantanamo unter ethischen Gesichtspunkten Notwehr, Nothilfe oder eine Aggression? Um solche Fragen zu stellen muss man nicht Gandhi sein.

Und dann kommt ihre ganz konkrete und ernst gemeinte Frage an „die“ Pazifisten.

Ich habe in meinem Leben gelernt, dass man sich tunlichst davor hüten sollte, eine Personengruppe so unscharf zu beschreiben, dass etwa gar alle gemeint sein könnten. Die Frauen, die Ausländer und so weiter.

In diese Falle gehen sie ja nicht. Sie beschreiben ihre Adressaten als „sogenannte“, die Ostern gegen die Bundeswehr demonstrieren und sich weder um verfolgte Christen im Irak noch um die Ukraine oder Nordkoreas Atomtests kümmern, als Heuchler. Ich kann für diese Popanzgruppe, die Sie da aufbauen nicht antworten.

Ich kann für mich antworten.

Ich weiß es nicht.

Ich gestehe, ich habe in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts für Abrüstung in Ost und West demonstriert. Ich gestehe, ich habe mich mein Arbeitsleben lang dafür eingesetzt, dass Kinder miteinander reden statt sich zu schlagen. Ich stehe immer noch dazu.

(Für die folgenden Ausführungen habe ich noch einmal in ihren Regeln für Leserkommentare auf RP ONLINE nachgelesen. Nun weiß ich, dass ich als Leser, der ich kommentiere, Ihnen einige der Sachen nicht sagen darf, die sie in ihrer Kolumne über die Friedensbewegung ausgeschüttet haben. O.k., das ist auch ihr Kleingarten und nicht meiner. Ich gebe mir ganz große Mühe, damit sie mit meinen Beitrag nicht das machen, was mit Zensur ganz sicher nichts zu tun hat.)

Deshalb meine ganz konkrete und ernst gemeinte Frage an den nicht-Pazifisten.

Wie möchten Sie das Töten im Irak stoppen? Durch Schreiben von Kolumnen? Welche politischen Schritte unternehmen Sie? Nehmen Sie persönlich einen der 200.000 Menschen, die auf der Flucht sind, bei sich zuhause auf? Und wenn sie auf nicht friedliche Lösungen setzen: Auf welchen ethischen Grund setzen Sie dabei, auf Notwehr oder auf Nothilfe? Reicht für Sie die Selbstdefinition der USA als Weltpolizei, die nach dem Rechten sehen muss, aus? Sollte nur gebombt oder auch einmarschiert werden? Wie stehen Sie zu Kollateralschäden oder gibt es die aus ihrer Sicht gar nicht?

Aber von einem aus ehrlicher Überzeugung geleiteten nicht-Pazifisten würde ich gern erfahren, wo beim Isis-Vormarsch die kriegerische Lösung ist, die ich nicht zu erkennen vermag.

Rheinische Post:

Keine Reaktion bis heute

Update: Heute am 29 August 2014 schreibt Herr Kelle seine letzte Kolumne aus der Reihe „politisch inkorrekt“

Die Irrationalität in der Ukraine-Krise gefährdet unsere Demokratie

„Ich verfolge seit den 1980er Jahren politische Nachrichten. Auch damals war es möglich, einer einseitigen Berichterstattung Informationen abzugewinnen. Wenn man die Nachricht vom Kommentar mental zu trennen verstand, beobachtete, was in einem Medium gesagt wurde und im anderen verschwiegen, erhielt man ein halbwegs zutreffendes Bild. Und zu dieser Zeit konnte man gut zwischen einer gelenkten und zensierten Presse im Ostblock und der vielstimmigen, freien westlichen Medienlandschaft unterscheiden. Ein Grundvertrauen bildete sich aus.

Zu meinem Entsetzen hat sich dies auf den Kopf gestellt. Vergleichen sie auf YouTube die Pressekonferenzen des russischen Verteidigungsministeriums mit den peinlichen Behauptungen der Sprecherin des State Department. Die Rollen des kalten Krieges sind, was Transparenz und Dokumentation betrifft, komplett vertauscht. Es gibt heute Meldungen, die nur auf Rianovosti, Russia Today oder im Internet thematisiert werden, aber nicht in den westlichen Leitmedien, nur Stichworte: Das "Fuck the EU"-Telefongespräch mit der entlarvenden Passage über die Installation von Jazenjuk, die Identität der Maidan-Schützen, die ukrainischen Neonazis, die Brandursache im Gewerkschaftshaus von Odessa, die Bombeneinschläge in der Ostukraine, die Flüchtlingsströme, die nicht nur in der Westukraine, sondern vor allem in Russland ankommen.“

Der ganze Artikel in Telepolis


Propaganda, dämliche Fassung

„Wie Propaganda funktioniert, kann man am Beispiel des auf der Absturzstelle gefundenen Teddybärs sehen, den ein Separatist den Kameras entgegengehalten hat. Um die Welt ging ein Bild, auf dem ein nicht sonderlich gepflegter Separatist neben seinen rauchenden Kollegen einen Teddybär hochhält.

Das wurde dann zu dem Vorwurf, dass "betrunkene Gorillas", so etwa der Spiegel, "sich zwischen Kinderleichen so aufführen, als seien sie auf einer Kirmes". Man ist halt so eingenommen von der Richtigkeit seiner eigenen Vorurteile, dass man keinen zweiten Blick riskiert, der die Verve der moralisierenden Attacke auf den einmal ausgemachten Bösen möglicherweise relativieren könnte.

Ob der Separatist betrunken war, ist eine Frage der Spekulation. Ganz offensichtlich, so ein Video, hat er für die anwesende Journalistenmeute den Teddybär hochgehalten. Aber das war keine Geste des Triumphes. Er legte den Teddybär dann achtsam zurück, bekreuzigte sich und zeigte seine Anteilnahme oder Erschütterung. Das war aber nur Thema in Blogs, für die auf das böse Russland fixierten Mainstream-Medien spielte das keine Rolle, für die Politik allemal nicht.“

Via Telepolis