tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:/posts Matthias Seiferts Posthaven 2021-03-04T19:01:08Z Matthias Seifert tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1661410 2021-03-04T19:01:07Z 2021-03-04T19:01:08Z Taskforce, wenn‘s schon geregelt ist, gilt als zweite Quelle...

[l] Hier kommt gerade eine optimistische Mail rein.

Nein, wirklich!

Zu Spahn und Scheuer auch noch!

Das kann ich euch nicht vorenthalten:

Aldi, DM, Rossmann und co wollen ab Samstag bzw. Dienstag Schnelltests anbieten - 25 Stück für 5€ oder so. Hätte man dort Menschen an die Verantwortung gesetzt, die zwar keine Ahnung haben, aber irgendetwas auf die Kette bekommen, hätten die das womöglich sogar noch verhindert.

So setzt du die letzten Flachpiepe aus Bayern ans Lenkrad und nimmst selber den Zug. Wenn die dann in 3 Monaten organisiert haben, dass sich jede Person beim Zahnarzt testen lassen kann, ist die Bevölkerung dank Discounter schon versorgt. Wie bei den Masken.

Nicht völlig von der Hand zu weisen!

http://blog.fefe.de/?ts=9ebe2311


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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1661401 2021-03-04T18:45:23Z 2021-03-04T18:45:23Z Kennt jemand eine zweite Quelle? Ansonsten halte ich das erst mal für erstunken und erlogen.

[l] Schnell, setzt euch mal kurz stabil hin, und helft mir mal kurz!

Stellt euch vor, ihr seid der Teufel, und ihr hättet jetzt die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Covid-Maßnahmen der Regierung noch doller verkackt werden.

Ich weiß, ich weiß, keine leichte Aufgabe. Da müsste man ja jemanden finden, der noch inkompetenter als Spahn ist. Also Spahn bleibt natürlich im Amt. Auf dessen Mitarbeit kann man nicht verzichten, wenn vollständiges Versagen das Ziel ist. Aber wen könnten wir dem zur Seite stellen, der es noch schlimmer macht?

Der Gedankengang ging ja hier schon ein paar Mal durchs Blog. Die Anstalt hatte neulich eine Folge darüber, dass man sich von Spahns Monster-Verkacken mal nicht von dem noch viel größeren Verkacken von Scheuer-Andi ablenken lassen soll. Und auch ich hatte neulich hier die rhetorische Frage gestellt, ob es schlimmere Versager als Spahn gibt, und fiese Gemeinlinge haben mir dann mit dem Scheuer-Andi geantwortet.

Wieder einmal stellte sich die Frage: Wie weit darf Satire gehen?

Nun, das war offensichtlich zu weit, denn: Es gibt jetzt eine Bundes-Taskforce zur Beschaffung von Covid-Schnelltests. Und ratet mal, wer die leiten soll! Kommt ihr NIE drauf!

Tja, jetzt versteht ihr, wieso ich anfangs sagte, ihr sollt euch stabil hinsetzen.

Wie schlimm ist die Lage? So schlimm: Scheuer-Andi darf mitspahnen.

Update: Tolles Foto der beiden Covid-Endbosse. Selbst Spahn merkt, dass es jetzt noch schlimmer wird. Der Scheuer-Andi merkt gar nichts mehr, das war ja klar.

http://blog.fefe.de/?ts=9ebe1247]]>
Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1660404 2021-03-01T16:39:18Z 2021-03-01T16:39:18Z Impf und Schande

Im Kampf gegen Covid-19 sind gleich mehrere, unterschiedlich designte Vakzine im Umlauf. Wie funktionieren sie? Was sind ihre Vor- und Nachteile? 

Von Daniel H. Rapoport 

Seit die ersten Impfstoffe verfügbar sind, hat sich die Lage im Krieg gegen die Seuche verändert. Mit der Technologie sind neue Fragen entstanden und verdrängen die alten. Ich bin zwar weder Virologe noch Immunologe, sondern lediglich Zelltechnologe, aber ich glaube, alle Wissenschaftler aus den Lebenswissenschaften sollten derzeit eine gewisse Pflicht zur Aufklärung annehmen, um dem Ideal einer breiten und informierten Debatte wenigstens näherzukommen. Momentan sind fast 240 (!) Coronaimpfstoffe in der Entwicklung, 60 davon werden bereits am Menschen getestet. Das ist eine gute Nachricht; die Wahrscheinlichkeit, dass unter diesen Kandidaten einige wirksame sein werden, ist sehr hoch. Aber wie funktionieren sie genau? 

Verschiedene AnsätzeAlle Impfungen basieren darauf, dass man dem Körper eine Infektion »vorgaukelt«, so dass er im Idealfall zu einer Antwort des adaptiven, das heißt des lernfähigen Immunsystems kommt: Zum einen eine zelluläre Antwort durch Bildung zytotoxischer T-Zellen und zum anderen eine sogenannte »humorale« Antwort durch Antikörper, die passiv in Blut und Lymphe zirkulieren. Bei den Antikörpern handelt es sich, wie bei fast allen Biomolekülen, die in unserem Körper die eigentliche Arbeit verrichten, um Eiweiße. Die Besonderheit der Antikörper besteht darin, dass sie bei einer Infektion extra hergestellt werden und eine angepasste Domäne besitzen, die man sich wie einen Gipsabguss des Krankheitserregers vorstellen kann. Eigentlich eher wie viele verschiedene Abgüsse: Wenn ein Fremdkörper – ein Antigen, wie es immunologisch heißt (aber eigentlich nichts mit Genen zu tun hat) – wenn ein Fremdkörper wie z. B. ein Virus in unseren Körper eindringt, formt unser Immunsystem alle möglichen Stellen von ihm ab. Auf diese Weise merkt sich das Immunsystem seine chemische Signatur; man sagt, es bilde Antikörper »gegen« die abgeformten Motive. In Wirklichkeit bedeutet das lediglich, dass die so gebildeten Antikörper stark und sehr spezifisch an das Motiv binden; wie eben eine Abgussform fest und luftdicht um das Abgegossene passt (und nur darum). 

Durch so eine Antikörper-Antigen-Bindung werden eine Menge unterschiedlicher Effekte und Abwehrmechanismen ausgelöst, die letztlich dazu führen, dass das Virus seine Mission – sich zu vermehren – nicht erfüllen kann. Der einfachste (und wirkungsvollste) dieser Mechanismen ist, dass ein Antikörper sich an genau die Stelle des Virus bindet und sie besetzt, die es eigentlich benötigt, um in eine Zelle einzudringen. Dann kann es die Zelle nicht entern; wir haben gewonnen und das Virus verloren. Diese Art der Antikörper, die eine Infektion mit dem Virus verhindern können, nennt man »neutralisierende Antikörper«. Man merkt den Militärjargon: Das Virus wird »neutralisiert«. In gewisser Weise ist das auch folgerichtig gedacht, ein Virus ist ja nur ein halbes Lebewesen und kann als solches schlecht getötet werden, nur eben neutralisiert. Genau darin besteht im Idealfall die Wirkung eines antiviralen Impfstoffes. 

Der zweite Mechanismus – die Bildung zytotoxischer T-Zellen – hilft dem Körper eher als zweite Verteidigungslinie. Sollte es dem Virus trotz Antikörpern gelingen, in Zellen des Körpers einzudringen, können diese Immunzellen die befallenen Körperzellen sehr spezifisch finden und, nun ja, eliminieren. Das ist das Perfide an Viren: Wir können sie im Fall einer Infektion nur loswerden, indem wir unsere eigenen befallenen Zellen vernichten und – wo es möglich ist – ersetzen. Je schneller das geschieht, desto weniger Zellen kann das Virus kapern, um weitere Viren zu produzieren. Die Krankheit nimmt einen milden Verlauf, wenn sie denn überhaupt bemerkt wird. Außerdem wird die Gesamtvirenlast und damit die Gefahr der Weitergabe enorm reduziert. 

Mit diesem Vorwissen können wir nun an die Klassifizierung der Impfstoffe gegen Corona gehen. Nach ihren Wirkmechanismen lassen sich zunächst zwei grundsätzlich verschiedene Impf­substanzen unterscheiden: Impfstoffe, die Gebrauch von Erbsubstanz machen (DNA oder RNA) und solche, die vermehrungsunfähige Viren oder Teile des Virus dem Immunsystem direkt präsentieren (Tot- und Eiweißimpfstoffe). Totimpfstoffe sind die klassische Form der Impfung. Man stellt Viren her, macht sie vermehrungsunfähig (lustigerweise spricht man dann davon, dass das meistenteils nicht unter die Lebewesen gerechnete Virus nun ganz tot sei, deswegen »Totimpfstoff«) und formuliert daraus eine haltbare Lösung, die man dem Impfling verabreicht. Das Verfahren ist schon alt und technisch reif; beispielsweise wird die jährliche Grippeimpfung auf diese Weise hergestellt. Der größte Nachteil besteht darin, dass Viren ziemlich wählerisch in der Wahl der Zellen sein können, in denen sie sich vermehren. Oft sind es sehr spezielle Zellen (zum Beispiel im Falle von Covid-19 sind es Zellen, die nur im Nasen-Rachenraum vorkommen) – und dann ist die Vermehrung und Zucht dieser Zellen der eigentliche Flaschenhals beim Herstellen des Impfstoffes. Schnell viele virenhaltige Zellen herstellen, das ist momentan immer noch sehr umständlich, wenn es überhaupt machbar ist. Manche Zellen lassen sich nämlich gar nicht in Bioreaktoren vermehren. 

Sehr ähnlich den Totimpfstoffen sind Proteinimpfstoffe, bei denen man einen Teil des Virus zur Immunisierung benutzt. In der Regel sind es Bestandteile der Virushülle. Beim SARS-CoV-2-Virus ist es das Spike-Protein, also jene »Stachel«, die das Virus benutzt, um an die Wirtszelle anzudocken und in sie einzudringen. Hergestellt wird das Spike-Protein in Produktionszellen, in die man sein Genom einbaut. Der Vorteil ist, dass man – im Gegensatz zur Produktion ganzer Viren – nicht auf die speziellen Zellen angewiesen ist, an die das ­Virus adaptiert ist, sondern statt dessen besonders gut wachsende und biotechnologisch etablierte Produktionszelllinien nutzen kann. Nachteilig ist, dass die Immunantwort auf das Protein häufig schwächer ist und man sie zusätzlich mit anderen immunstimulierenden Substanzen (»Adjuvantien«) steigern muss. 

Die neuere Klasse von Impfstoffen, bei denen auch Erbsubstanz zum Einsatz kommt, wird besser verständlich, wenn man sich die Beziehung zwischen DNA, RNA und Proteinen noch einmal ins Gedächtnis ruft: DNA (Desoxyribonukleinsäure) ist das berühmte Doppelhelixmolekül. Es ist so etwas wie der Langzeitspeicher unserer gesamten Erbinformation und befindet sich im Zellkern. Das Ablesen dieser Information geschieht, indem die DNA als Vorlage verwendet wird, um RNA (Ribonukleinsäure) herzustellen. Die RNA wird aus dem Kern transportiert und ist dann der Bauplan für Proteine (wir erinnern uns: die eigentlichen Arbeiter in jedem Lebewesen). RNA ist chemisch der DNA sehr ähnlich; allerdings gibt es Unterschiede. Der vermutlich wichtigste Unterschied ist, dass RNA im Gegensatz zu DNA einsträngig ist, d. h. sie hat keinen »Komplementärstrang«. Das macht sie zu einem chemisch aktiveren und deshalb auch instabileren Molekül. Evolutionär ist dieser Unterschied zwischen DNA und RNA durchaus von Belang: Die meisten (neueren, d. h. später in der Evolution entstandenen) Lebewesen nutzen DNA als stabilen Langzeitspeicher von Information, während über die RNA, als kurzlebige Zwischenstufe, Menge und Art der gebildeten Proteine reguliert wird. Tatsächlich gibt es einen sehr komplexen Apparat in der Zelle, der den Abbau von RNA überwacht. Das hat den genannten regulatorischen Sinn, ist aber auch Teil eines zellulären Immunsystems. Nicht nur der Organismus als Ganzes verfügt über ein Immunsystem, sondern jede einzelne Zelle ist in der Lage, bestimmte Fremdstoffe oder falsch laufende Prozesse zu erkennen und zu korrigieren. Besonders empfindlich reagiert sie auf einsträngige RNA, weil es nämlich Viren gibt, die direkt RNA (statt DNA) als Erbinformation benutzen – wie z. B. das SARS-CoV-2-Virus. Solche RNA wird relativ schnell in der Zelle abgebaut. Ein Virus muss in der Regel Tricks erfinden, um sich gegen allzu schnellen Abbau zu schützen. Bei Impfstoffen kommt uns der Abbau jedoch gelegen: Wir wollen das Spike-Protein ja nur vorübergehend produzieren lassen, um eine Immunantwort zu stimulieren. Danach soll es wieder verschwinden. 

Fein. Jetzt ist es nur noch ein Kinderspiel, die neueren DNA- und RNA-basierten Impfstoffe zu verstehen. Prinzipiell funktionieren beide so, dass man ein Stück Erbinformation des Virus in Körperzellen des Impflings schleust (meist Muskelzellen im Arm), wo sie – wie bei den Proteinimpfstoffen, nur eben nicht im Bioreaktor, sondern in den Körperzellen – einen Teil des Virus bilden, das dann als Abgussform für die Immunisierung genutzt wird. Die DNA-Impfstoffe nennt man auch »Vektorimpfstoffe«, sie kommen z. B. in den Vakzinen von Astra-Zeneca und im russischen »Sputnik«-Impfstoff vor. »Vektoren« nennt man zyklische DNA, bei der man das Ende der Doppelstränge chemisch an ihren Anfang bindet; durch diese Ringform erhöht sich noch einmal die Stabilität des Moleküls. Die reine DNA-Erbinformation ist jedoch noch nicht wirksam: Sie muss erst in eine Zelle geschleust und in RNA übersetzt werden. An ihr werden dann Virenbestandteile wie das Spike-Protein synthetisiert. Deshalb wird der Vektor in die Hülle eines anderen, ungefährlichen Virus verpackt. Genauer gesagt handelt es sich um »entkernte« Adenoviren (das sind i. d. R. normale Erkältungsviren), die so modifiziert wurden, dass sie sich nicht mehr vermehren können. Sie können nur noch in eine Zelle eindringen und dort ihre DNA-Erbinformation in RNA umschreiben. Aber sie können sich nicht selbst wiederherstellen, denn die dafür nötigen Baupläne hat man aus ihrer Erbinformation entfernt. Diese Kombination, entkerntes Adenovirus mit Vektor-DNA, kennzeichnet die modernen Vektorimpfstoffe. 

Die RNA-Impfstoffe sind noch moderna (hehe). Bei ihnen kommt die einsträngige RNA direkt zum Einsatz, um das Spike-Protein zu synthetisieren, d. h. es muss, im Gegensatz zu einem Vektorimpfstoff, nicht erst DNA in RNA umgewandelt werden. Deshalb kann man auch das entkernte Virus fortlassen, dessen DNA-RNA-Übersetzungsmaschine man nicht mehr benötigt. Allerdings ahnt man schon, dass diese Vorteile durch das Problem verminderter Stabilität erkauft werden müssen. Außerdem steht man nun, ohne Virushülle, vor dem Problem, die RNA in Körperzellen einschleusen zu müssen. Die Lösung (an der viele Jahre gearbeitet wurde) besteht darin, einerseits die RNA chemisch zu modifizieren und etwas stabiler zu machen; und sie andererseits in sogenannte Lipidnanopartikel (LNPs) zu verpacken. Die Erfindung der LNPs war der entscheidende technologische Durchbruch; es handelt sich dabei um synthetische Lipide, die chemisch den Hauptbestandteilen der Zellmembran ähneln. Dadurch können sie mit der Zellmembran verschmelzen und ihren Inhalt – die Spike-RNA – in die Zelle freigeben. 

Prinzipiell kann man auf diese Weise praktisch jede beliebige RNA in eine Zelle schleusen und also die Zelle direkt auf der Arbeitsebene veranlassen, fast jedes Eiweiß herzustellen, das wir uns wünschen. Deshalb geht die Bedeutsamkeit dieser Technologie weit über das Herstellen von Impfungen hinaus. Ein Allheilmittel sind diese lipidverpackten RNAs dennoch nicht, denn sie sind (noch) komplett unspezifisch bei der Wahl ihrer Zielzellen; sie können beispielsweise noch nicht zwischen Krebszellen und gesunden Zellen unterscheiden. Aber sie sind ein erster wichtiger Schritt bei der Konstruktion von Nanomaschinen, die eine ganz neue Qualität der Präzision bei der Bekämpfung von Krankheiten erlauben werden. 

Des einen Krise ist des anderen Chance: Mit Sicherheit wurde die Coronakrise auch zur Chance für die RNA-Technologie. Die großen Pharmafirmen hatten sie, obwohl vielversprechend, noch vor fünf Jahren wegen hoher Zulassungshürden aufgegeben. Nur wenige kleine Firmen, darunter Biontech aus Mainz und Moderna aus Cambridge (Massachusetts) blieben am Ball. Die Coronakrise hat zu einem Wettrüsten an der RNA-Front geführt. Fast alle großen Konzerne und technologisch gerüsteten Staaten arbeiten nunmehr daran. Für diese Leute ist Covid-19 ein Glücksfall: Die Impfstoffzulassungen liefern den Präzedenzfall für die Sicherheit der Technologie und somit auch für künftige Zulassungen und Profite. 

Stärken und SchwächenWelches sind nun die Vor- und Nachteile der verschiedenen Impftechnologien? Der Vorteil der Totimpfstoffe ist, dass die Technologie etabliert und ausgereift ist, weswegen Kosten, Herstellungszeiten, mögliche Gefahren und Nebenwirkungen etc. auch weitgehend bekannt sind. Sie lassen sich einfach verschicken und in normalen Kühlschränken lagern. Außerdem erzeugen sie eine breite Immunantwort gegen so ziemlich jeden Teil eines Virus, so dass es auch nach Mutationen noch mit hoher Wahrscheinlichkeit erkannt wird. Der chinesische Impfstoff von Sinovac ist so ein traditioneller Impfstoff. Gegen diese Impfstoffe spricht, dass ihre Erzeugung langwierig und teuer ist. Deswegen sind auch die jährlichen Grippeimpfungen ein Hit- or Miss-Unternehmen. Man muss eben sechs bis neun Monate im voraus abschätzen können, welcher Virenstamm in dieser Grippesaison vorherrschen wird. So lange dauert die Produktion und sie lässt sich, wenn sie einmal in Gang gebracht wurde, nicht mehr abändern und anpassen. 

Die Proteinimpfstoffe haben demgegenüber den Vorteil, dass sie leichter anpassbar und schneller herstellbar sind. Trotzdem stößt man bei der Produktion derart großer Mengen Spike-Protein, wie sie beispielsweise die Covid-19-Impfung erfordert, an die Grenzen des derzeit Machbaren. Außerdem ist ihre immunologische Wirkung, wie schon gesagt, schwächer und »schmaler« als bei Totimpfstoffen; besonders beim Hervorrufen der zellulären Immunantwort könnten sie weniger effektiv sein. Dennoch stellen Proteinimpfstoffe, wie sie z. B. derzeit von der US-amerikanischen Firma Novavax entwickelt werden, in vielerlei Hinsicht den vielleicht besten Kompromiss dar: Sie sind einfach zu verschicken und lagerungsfähig, schnell anpassbar, relativ preiswert und in ihren Risiken und Nebenwirkungen vergleichsweise gut einzuschätzen. 

Die DNA- und RNA-basierten Impfstoffe haben beide den Vorteil, dass man DNA und RNA schnell synthetisieren und vermehren kann. Das ist ein Grund, weshalb sie so schnell verfügbar waren. Aber auch hier bringt die Größenordnung der Covid-19-Impfung die bisherigen Produktionskapazitäten (auch der Rohstoffe, aus denen RNA und DNA hergestellt wird) an ihre Grenzen. Aber diese Kapazitäten sind vergleichsweise leicht ausbaubar. Ein gemeinsamer Nachteil dieser Impfstoffe ist, dass sowohl Vektor- als auch RNA-Impfstoffe derzeit noch eine zweimalige Verabreichung des Vakzins erfordern. Die Immunantwort auf eine einzige Impfung ist zu schwach, weswegen sie für die verlässliche Bildung neutralisierender Antikörper nach ein paar Wochen noch mal »getriggert« werden muss. Das Zeitfenster, innerhalb dessen die zweite Impfdosis gegeben werden muss, ist im übrigen durchaus kritisch. 

Das ist ein Punkt, dessen eminente Wichtigkeit weder der Politik noch der Öffentlichkeit hinreichend bewusst zu sein scheint. Als der Impfstoff nicht schnell genug geliefert werden konnte (was augenscheinlich immer noch ein Problem darstellt), wurde in England und auch hierzulande laut darüber räsoniert, die zweite Impfdosis vielleicht später zu verabreichen – das ist ungefähr das Gefährlichste, das in der Pandemie überhaupt gemacht werden könnte. Der Grund für die Einhaltung der Zeitvorgabe bei der Zweitimpfung ähnelt dem bei der Vergabe von Antibiotika gegen bakterielle Infektionen: Sie müssen stets in der vollen Dosis und über die volle Länge einer Behandlung verabreicht und dürfen nicht etwa vorher abgesetzt werden, weil z. B. die Symptome verschwunden sind. Es können sich sonst Resistenzen bei den Bakterien bilden. Gegen diese resistenten Stämme ist die Medizin dann weitgehend machtlos; so kann es zu tödlichen Verläufen von Krankheiten kommen, die nach heutigem Stand der Technik eigentlich harmlos sein sollten. 

Das ist eine reale, existierende Gefahr und kein »Hätte, wäre, könnte«; es sterben derzeit jedes Jahr Zehntausende an solchen resistenten Erregern. Genau denselben Dämon würde man erwecken, wenn die Impfdosen nicht im vorgegebenen zeitlichen Abstand verabreicht werden; nur eben mit Viren, anstatt mit Bakterien. Im Grunde stellte man damit ein Trainingsgerät für das Virus her, mit dem es sich fit gegen unser Immunsystem machen kann. Wir würden ihm zeigen, wie und wo es mutieren muss, um unsere Immunantwort zu umgehen (»if it doesn’t kill you, it only makes you stronger«). Die Folgen einer solchen Nachlässigkeit könnten weitaus verheerender sein als der gesamte bisherige Verlauf der Pandemie. 

Diese zweite Impfstoffgabe könnte nicht nur ein Schwachpunkt in der derzeitigen Politik sein; er stellt sich auch zusehends als Schwachpunkt der Vektorimpfstoffe heraus: Es kann nämlich passieren, dass unser Immunsystem sich nicht nur das Spike-Protein merkt, sondern auch die Motive der Virushülle. Bei der zweiten Impfdosis neutralisiert es dann die Hülle, so dass sie ihren Impfvektor nicht mehr in die Zelle bringen kann und der Impfschutz schwach bleibt. Das ist vermutlich einer der Hauptgründe, weshalb der Astra-Zeneca-Wirkstoff nicht so effizient wirkt, wie die russische »Sputnik«-Impfung, obwohl beide auf demselben Impfprinzip beruhen. Bei der russischen Impfung war man nämlich so schlau, die erste und zweite Impfdosis in jeweils andere Virushüllen zu verpacken. Der Unterschied ist beachtlich: Astra-Zeneca schafft eine Impfwirksamkeit von lediglich 60 bis 70, Sputnik V liegt wohl (nach vorläufigen Studien) bei über 90 Prozent. Immerhin scheinen beide Hersteller in Verhandlungen getreten zu sein, so dass der britisch-schwedische Astra-Zeneca-Vektor in Zukunft vielleicht in den russischen »Sputnik«-Hüllen verabreicht wird. 

Die RNA-Impfstoffe (Biontech, Moderna) schließlich haben den unmittelbaren Vorteil, ohne virale Hülle und direkt auf der »Arbeitsebene« Instruktionen in Zellen schleusen zu können. Sie sind deshalb prinzipiell enorm schnell anpassbar (der zeitlimitierende Faktor ist das Testen auf Unbedenklichkeit und Wirksamkeit). Dem steht entgegen, dass sie von allen Impfstoffen am wenigsten stabil und lagerfähig sind. Sie müssen bei sehr niedrigen Temperaturen transportiert und langzeitgelagert werden, was oft nicht möglich ist. Besonders Schwellen- und Entwicklungsländer verfügen nicht über eine entsprechende Infrastruktur. 

KriegskostenDer österreichische Schriftsteller Egon Friedell (1878–1838) beginnt seine »Kulturgeschichte der Neuzeit« mit der Idee, dass die Neuzeit – unsere »Moderne« – von der Pest angestoßen wurde. Nicht nur hätte sie die Frage der Theodizee augenscheinlicher gemacht, als alle Übel und Plagen vordem, sondern sie hat auch die Frage nach der Wirkmacht des Menschen und nach seinem Ausgeliefertsein an die Natur neu gestellt. Daneben aber sagt Friedell auch – vielleicht noch wichtiger –, dass jede Gesellschaft ihre eigene Seuche hervorbringt. Zu Zeiten der Pest waren es die neu entstandenen Handelswege, die zu ihrer Ausbreitung beitrugen; in unserer Zeit hat die Globalisierung das Virus in Windeseile über alle Staaten der Erde verteilt. Die Idee ist aber auch subtiler: Das An­steckungsgeschehen hängt direkt mit unserem Sozialverhalten zusammen. Wenn wir weiter zur Arbeit gehen, weil wir glauben, dass unsere Tätigkeit dort »systemrelevant« sei, dann wirkt sich dieser Glaube direkt auf den R-Wert, d. h. die Verbreitung des Virus aus. Genauso wirkt es sich auf den R-Wert aus, wenn wir zwar Fremden mit Vorsicht, d. h. mit Abstand und Maske begegnen, für Vertraute und Geliebte aber eine Ausnahme machen. Ich will damit weniger werten als andeuten, wie innig verstrickt Krankheit, Sozialverhalten und Glaubenssätze sind. 

Ein Gleiches lässt sich über die Impfstrategien der verschiedenen Länder sagen: Zum ersten ist augenfällig, dass die globale Seuche nicht dazu geführt hat, dass die Impfkampagne international koordiniert wurde. Ich erachte das als ein furchtbares Versagen; ein Versagen unserer politischen und ökonomischen Strukturen, ein Versagen unserer Solidarität und unserer Vernunft; ein Versagen, kann man sagen, der Menschheit und ein Versagen, wie Friedell sagt: unserer Zeit. Kampagnen, wie z. B. die »People’s Vaccine Alliance« oder der von Costa Rica vorgeschlagene »Covid-19 Technology Access Pool« (zur allgemeinen Verfügbarmachung von Impf-Know-how) sind versandet. Immerhin wurde – vermutlich auch unter dem Druck der Erkenntnis, dass rein nationale Impfkampagnen in einer globalisierten Welt wenig nützen – die »­COVAX-Facility« von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins Leben gerufen. Über sie soll auch ärmeren und technologisch weniger entwickelten Ländern der Zugang zu Covid-19-Impfstoffen ermöglicht werden. Allerdings gewährt die Facility ärmeren Ländern lediglich einen Preisnachlass auf die Impfstoffe; die Möglichkeit, sich zu helfen, indem sie selbst Impfstoffe herstellen (das hieße, ein zeitweises Aussetzen des Patentschutzes) bleibt diesen Ländern weiter verwehrt. 

Insgesamt hat die Coronakrise zu einer beschämenden Entsolidarisierung geführt, sowohl international als auch innerhalb der meisten Länder. Das hat Hunderttausende das Leben gekostet. Anstatt ihre Kräfte im Kampf gegen die Seuche zu vereinen, hat sich die Menschheit in zig nationale Scharmützel und Sonderwege begeben, die mehr oder minder erfolgreich und allesamt unrühmlich sind. Hierzulande drückt sich die Entsolidarisierung vor allem in der Unfähigkeit aus, einen gemeinsamen harten (und dafür kurzen) Lockdown zu organisieren; statt dessen laviert man seit Monaten und versucht Kompromisse. Als ob sich mit einem Virus Kompromisse schließen ließen. Entsolidarisierend ist aber auch, dass Konzerne und Banken nicht überproportional an den Kosten des Krieges gegen die Seuche beteiligt werden. Diejenigen, die von ökonomischen Friedenszeiten am meisten profitieren, werden im Krisenfall nicht gezwungen, einen entsprechend höheren Anteil an den Kosten der Krise zu tragen. Dabei fordern sie die Wiederherstellung jener Normalität, von der sie überdurchschnittlich profitieren. Und als wäre das nicht schon asozial und dreist genug, gibt es darüber hinaus Unternehmen, die in der Krise – am Elend, am Sterben und an der Angst der meisten – Extragewinne machen. In dieser Hinsicht zielen die Forderungen der Zero-Covid-Bewegung nach einem solidarischen und radikalen Lockdown absolut in die richtige Richtung. Die Kosten müssen gerechter verteilt werden. 

Junge Welt, 24.2.2021

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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1659955 2021-02-28T14:21:00Z 2021-02-28T14:21:00Z Geschenk, frisch restauriert

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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1659637 2021-02-27T17:04:28Z 2021-02-27T17:04:28Z Dreimal eine Strophe anhören. Damit sind erstmal drei Wellen abgedeckt.

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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1659388 2021-02-27T10:00:25Z 2021-02-27T10:00:25Z Hut ab! Ein Minister, der weiß, wovon er spricht!

NRZ

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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1657989 2021-02-24T09:00:45Z 2021-02-24T09:00:45Z „Klar rassistisch“ Da muß der Essener Polizeipräsident wohl gehen.

NRZ heute

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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1655138 2021-02-17T11:54:31Z 2021-02-17T11:54:31Z Qualifizierte Werbung in Bild und Text ]]> Matthias Seifert tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1654361 2021-02-15T18:20:15Z 2021-02-15T18:20:15Z The Wellerman (extended Version)

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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1654325 2021-02-15T16:55:46Z 2021-02-15T16:55:47Z Nandy macht den Keith!

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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1653888 2021-02-14T14:36:06Z 2021-02-15T14:55:38Z Spuren der Erntemaschinen für Bananen- und Orangensaft-Plantagen in der Region Niederrhein

Bezug:

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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1645364 2021-02-13T15:07:17Z 2021-02-13T15:11:44Z Faschismusanalysen: Am Puls der reaktionären Zeit

Wie aus einem Rand- ein Massenphänomen wurde: Leo Löwenthal analysierte bereits vor über 70 Jahren die Techniken des US-amerikanischen »Agitators« Von Jürgen Pelzer  

Die turbulenten Ereignisse in der US-amerikanischen Politik während der vergangenen Wochen haben die meisten Journalisten und Kommentatorinnen gehörig ins Schwitzen gebracht. Vor allem das erratische Verhalten des Präsidenten Donald Trump, der bei der Inszenierung des Sturms auf das Kapitol eine entscheidende Rolle spielte, wirkte verstörend, da es über das übliche Maß narzisstischer Selbstinszenierung hinausging. Die Protestdemonstration am 6. Januar war von langer Hand von ihm mitorganisiert worden. In einer 70minütigen Rede schwor er seine Anhängerinnen und Anhänger darauf ein, angesichts der »gestohlenen Wahl« vom November auf Biegen und Brechen zu kämpfen (»to fight like hell«). Dies sei die letzte Chance, die Inaugurierung des neuen Präsidenten zu verhindern – ansonsten hätten sie »ihr Land verloren«.  

Stunden später, nachdem sich das Ausmaß der Randale abgezeichnet hatte und die Fernsehbilder von der Stürmung des Kapitols um die Welt gegangen waren, wandte sich der Präsident an seine Anhänger und bat sie, friedlich nach Hause zu gehen, nicht ohne sie seiner »Liebe« zu versichern. Verantwortung für die Randale, die nicht nur das Leben der Abgeordneten und des eigenen Vizepräsidenten Michael Pence bedroht, sondern auch die Integrität politischer Institutionen in Frage gestellt hatte, übernahm er nicht. Auch einige Tage später lehnte er eine solche Verantwortung ausdrücklich ab. Seine Rede sei »angemessen« gewesen. Eine Woche später ließ er es sich nicht nehmen, vor jener »wunderbaren« Mauer zu posieren, die die Grenze gegen Mexiko vor Flüchtlingen sichern sollte, und lobte bei der Gelegenheit die »großartige« Polizei. Er sei bekanntermaßen vor allem ein Vorkämpfer für »law and order« und halte stets seine Versprechen.  

Trotz dieses jeder Logik widersprechenden Verhaltens hat sich sein Rückhalt in der Bevölkerung kaum verringert. So glaubt das Gros der republikanischen Wähler nach wie vor, die Wahl sei tatsächlich gestohlen worden, obwohl alle bisherigen Versuche, sie anzufechten, gescheitert sind. Besonders groß ist der Rückhalt bei US-Amerikanern, die sich als patriotisch, christlich und freiheitsliebend verstehen und diese Werte nur durch den mittlerweile abgetretenen Präsidenten gewährleistet sehen. Die Vorhut dieser gewaltbereiten, zum Teil auch bizarren, grotesk ausstaffierten und zynisch sich selbst feiernden Gruppierung konnte man im Fernsehen besichtigen, doch die rechte Anhängerschaft Trumps hat eine viel größere Basis. Den Sturm auf das Kapitol haben auch einige Senatoren unterstützt, denen man Ambitionen auf das Präsidentenamt nachsagt. Solch ein Massenappeal lässt sich nicht allein durch eine bei »klassischen« Konservativen populäre Politik erklären. Worauf beruht dann aber diese unbedingte Loyalität breiter Massen, die sich durch nichts beirren lassen und die auch einen Angriff auf die in den USA als heilig geltenden Institutionen durchaus »verständlich« finden? Wie ist solch ein offener Angriff auf für selbstverständlich gehaltene Prozeduren der liberalen Demokratie wie die Präsidenteninauguration zu erklären?  

Verzerrte Weltsicht Ein bereits 1949 publiziertes und dieser Tage neu aufgelegtes Buch von Leo Löwenthal und Norbert Guterman kann hier zwar keine vollständigen Antworten, doch wertvolle Fingerzeige liefern, um dieses bedingungslose, offensichtlich irrationale Loyalitätsverhältnis wie die ebenso irrationale und verzerrende Wirklichkeitssicht von Millionen Anhängern zu erklären. Unter dem Titel »False Prophets« (»Falsche Propheten«) haben die Autoren »die Techniken des amerikanischen Agitators« untersucht.¹ Das Buch ist Teil einer umfassenden Studie, Züge einer »autoritären Persönlichkeit« festzustellen – ein Projekt, das im Mai 1944 in Gang kam, um die generelle Anfälligkeit für tiefsitzende Vorurteile und Stereotype empirisch zu erfassen und sie besser bekämpfen zu können. Vorurteile und Stereotype, namentlich autoritär ausgerichtete Einstellungen, sollten identifiziert werden, da man in ihnen – ausgehend vom faschistisch dominierten Europa – eine Gefahr auch für die Zukunft der US-amerikanischen Demokratie sah. Die empirischen Studien schlugen sich in mehreren Bänden nieder, für die Vertreter der exilierten Frankfurter Schule (namentlich Theodor Adorno) sowie Soziologen und Psychologen der Universität Berkeley federführend waren.  

Der von Löwenthal und Guterman vorgelegte Band stellte sich die Aufgabe, das Propagandamaterial reaktionärer »Agitatoren« zu sichten, die in den Jahren von 1932 bis 1948 in Zeitschriften, im Radio sowie auf Massenveranstaltungen aktiv waren. Der Zeitraum umfasst also eine äußerst bewegte Phase in der Geschichte der USA, die von Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit, von politischen Richtungskämpfen, Roosevelts keynesianisch geprägter »New Deal«-Politik sowie dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg, dem Sieg über den Faschismus in Europa und Asien sowie dem beginnenden Kalten Krieg gekennzeichnet war.  

Mit »Agitatoren« sind dabei jene zumeist randständigen, als wahre Tribunen des Volksinteresses auftretenden Personen gemeint, die die Unzufriedenheit über die Zustände ausnutzen, aber jegliche rationale Argumentation umgehen. Vielmehr nutzen und verstärken sie die allgemein existierende Orientierungslosigkeit. An rationaler Analyse sind sie ebenso wenig interessiert wie an reformerischer oder gar revolutionärer Aktion. Das Ziel besteht statt dessen darin, aus allen Schichten so viele Anhänger wie möglich zu gewinnen und auf einen Führer einzuschwören – sie sollen zu »widerstandslosen Aufnahmeorganen für seinen persönlichen Einfluss« werden. Konkrete Probleme wie die Arbeitslosigkeit werden weder erklärt noch bekämpft. Die Verantwortung für dieses (und jedes andere) Problem wird einer »Feindclique« angelastet, die stets im Hintergrund lauert (ohne genau benannt zu werden). Immer wieder stoßen die Autoren auf die gleichen Themen und Strategien, so dass sie idealtypisch vom US-amerikanischen Agitator sprechen. Er ist, wie gesagt, fast immer randständig. Nur das isolationistische »America First Committee«, das gegen die Teilnahme der USA am Zweiten Weltkrieg war, erreichte mit 800.000 Mitgliedern eine gewisse Breitenwirkung, die aber im Dezember 1941, nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor, ein abruptes Ende fand. Fast immer geht es in der Hauptsache darum, Ressentiments zu schüren, etwa gegen die Bürokraten in Washington, gegen angebliche jüdische Drahtzieher oder ausländische Kommunisten. Über diese Bestätigungs- und Frustrationsreaktionen gehen die Appelle des Agitators nicht hinaus. Die gesellschaftlichen Verhältnisse selbst werden nicht angetastet.  

Gegen Juden und Kommunisten Der Ausgangspunkt für die reaktionäre Agitation ist das, was die Autoren die »gesellschaftliche Malaise« nennen. Sie äußert sich auf verschiedene Weise, wird aber nie rational oder konkret thematisiert. Geht es um Wirtschaftskrisen, werden sie den ausländischen Nationen angelastet, die »große finanzielle Unterstützung« erhalten. Es sind Ausländer, die »unser Geld stehlen«. Politische Probleme werden der »Geißel des Internationalismus« angelastet. Eine internationale Ausrichtung führe zur Unterwerfung unter einen Weltgerichtshof, was geradewegs in ein Sowjet-Amerika führe. Obendrein seien die Medien in Händen der »Feinde der Nation«. Hollywood sei von dubiosen jüdischen oder ausländischen Feinden beherrscht, die sich durch eine provozierende moralische Laxheit auszeichneten. Empörend sei dabei vor allem die Leichtgläubigkeit und Naivität der Nichtjuden. Charakteristisch ist also die Emotionalisierung der Kritik, der Appell an Gefühle der Hilflosigkeit und Passivität und das Schüren von Angst, die US-amerikanische Lebensweise werde unterminiert. Die Reichtümer der Nation gingen an die anderen, die Fremden, das Ausland. Die von Juden und Ausländern gesteuerte angeblich demokratische Politik sei ein einziges Täuschungsmanöver (»Hoax«, »Fraud«, »Hypocrisy« usw.).  

Die untersuchten Agitatoren machten sich auf diese Weise die objektive Verunsicherung weiter Kreise während der Krisenjahre zunutze. Sie setzten bei den psychologischen Folgewirkungen an. Der Agitator drückt sie aus, hat aber keinerlei Lösung parat. Doch gerade die Unfähigkeit, einen Kausalzusammenhang herzustellen, ist seine Stärke. Anders als die Liberalen spricht er die Probleme an, ja er scheint die Nöte der schlichten Bürger zu verstehen. Dieses Eingehen auf die Probleme des »einfachen Mannes« ermöglicht eine weitergehende Manipulation.  

Löwenthal und Guterman listen im Folgenden jene Themen und Motive auf, die sich immer wieder im analysierten Agitationsmaterial finden, darunter die Motive der »ewig Betrogenen« und der permanenten, gegen sie gerichteten »Verschwörung«. Dem apokalyptischen Untergang lasse sich nur entgehen, wenn man dem Agitator und dessen überlegenen Einsichten folge. Diese Einsichten werden freilich nicht mitgeteilt, es genügt der Appell an die Hilflosigkeit und das Ausgeliefertsein der Anhänger angesichts einer feindlichen, komplizierten und undurchschaubaren Umwelt, die allerdings nur deshalb feindlich, kompliziert und undurchschaubar ist, weil es Gruppen gebe, die dafür absichtlich sorgten. Der Agitator gibt sich als »Muckraker« (zu deutsch: Schmutzaufwühler), als jemand, der Mißstände benennt und beseitigen will. Er verstärkt aber in Wahrheit nur die Angst vor verborgenen Mächten. Statt die Krankheit zu diagnostizieren, führt er sie auf böse Geister zurück. Der Staat selbst wird als prinzipiell korrupt hingestellt, was der Skepsis vieler US-Amerikaner gegenüber »Washington« und dem Zentralismus entgegenkommt. Die Korruptheit sei im wesentlichen darauf zurückzuführen, dass Demokratie und Liberalismus unweigerlich entweder zu Anarchismus oder aber zu einem totalitären Staatskapitalismus führten. Letzteres gelte vor allem für die als »Nudeal« verballhornte und verunglimpfte Politik Roosevelts, dem man vorwirft, er habe »seine Technik von Hitler und den Juden übernommen«. Die eigene Doktrin, sofern sich davon sprechen lässt, besteht darin, dass man sich an ein nicht näher definiertes Prinzip der Gerechtigkeit hält. Dies verbiete es dann etwa, die Juden, die sich im Krieg mit Hitler befinden, zu unterstützen oder sie für die erlittenen Schäden zu entschädigen.  

Die jüdische Bevölkerung stellt überhaupt das ideale Feindbild dar. Während Kommunisten oder Emigranten pauschal verunglimpft werden, geht der Agitator bei Juden differenzierter vor. Er betont einerseits seine freundlichen Gefühle für sie, macht aber andrerseits einen Unterschied zwischen »guten« und »schlechten« Juden. Letztere werden mit jenen Trends identifiziert, denen man feindlich gegenübersteht, also dem Fremden, dem Kommunismus und einem plutokratischen Kapitalismus. Anders als im faschistischen Deutschland entwickelt der US-Agitator kein vollständig antisemitisches Programm, statt dessen äußert sich der Antisemitismus eher indirekt. Dies hat den Vorteil, dass der reaktionäre Agitator nicht von vornherein als hasserfüllter Fanatiker dasteht. Dem Zusammenspiel mit den Anhängern tut dies keinen Abbruch, da sie wissen, dass die immer wieder vorgebrachten Themen der Verschwörung, des Betrugs, des Ausgeliefertseins, des korrupten Staates usw. eine antisemitische Grundierung haben. Das Judenbild des Agitators ist also widersprüchlich und doch konsistent: Juden sind sowohl stark als auch schwach (was generell vom Feind gilt), sie sind Opfer und zugleich Verfolger, sie stehen hinter dem totalitären Staatsinterventionismus und sind doch Individualisten. Vor allem sind ihre Eigenschaften unabänderlich. Es genügen bloße Andeutungen, etwa die Erwähnung eines jüdisch klingenden Namens, um Juden als Drahtzieher des (schlechten) Kapitalismus wie des Kommunismus zu suggerieren. Versteckte Angriffe dieser Art werden geradezu obsessiv vorgebracht, gelten aber nicht als Defekte haltloser Schwätzer oder Rassisten, sondern werden den Juden selbst angelastet. Der Agitator verstärkt oder weckt auf diese Weise den latenten Antisemitismus. Tritt jemand gegen den – unterschwelligen oder auch offensichtlichen – Antisemitismus auf, verdächtigt man ihn oder sie, jede legitime Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen zum Schweigen bringen zu wollen. Da die (schlechten) Juden die idealtypischen Feinde sind, hat man sich vor deren unbarmherzigen Attacken zu schützen. Sympathie oder Hilfsbereitschaft wären also fehl am Platz.  

Juden werden in jedem Fall als »anders« dargestellt, eine angebliche Eigenschaft, die sie auch durch Anpassung nicht überdecken können. Hier wirken alte religiöse Vorurteile (Juden als Christusmörder) nach. Sie stecken »ferner stets zusammen«, kümmern sich also nicht um das Wohl des Gastlandes – so lautet ein weiteres Vorurteil, auf das der Agitator rechnen kann. Doch während sich die Juden selbst nicht ändern, ändern sie ihre Umwelt, betätigen sich als »Troublemakers« – angeblich, um ihre Macht auszudehnen. In der gesellschaftlichen Malaise scheinen sie sich wohlzufühlen. Sie dafür verantwortlich zu machen, dazu bedarf es nur eines weiteren Schrittes, eines Schrittes, den der Agitator gar nicht zu machen braucht. Denn hinter jeder Bedrohung der Gesellschaft steht – auch unausgesprochen – der jüdische Einfluss. Juden sind also die wahren Verfolger. Dabei sind sie »schlau« genug, schlichte US-Amerikaner in ihre rachsüchtigen Pläne einzuspannen und auch massenkulturelle Mittel zu diesem Zweck zu nutzen. Darauf beruht ihre Macht, eine Macht, die freilich nur ideell ist. Die Utopie von Harmonie, Toleranz und individuellem Glück, die sie vorleben, wird auf diese Weise denunziert, sie beruhe letztlich auf Betrug. Den US-amerikanischen Nichtjuden ist deshalb die jüdische Kultur ein ständiger Dorn im Auge, lautet das Fazit der Autoren. Juden sind zwar nicht der Hauptfeind des Agitators, doch werden sie zum »Symbol, auf das der Agitator seinen ganzen eigenen, ohnmächtigen Zorn gegen das Ungenügen der Zivilisation projiziert«.  

Verbale Gefühlsentladung Generell gilt, dass die positiven Vorschläge, die der Agitator anbietet, weniger entwickelt sind. Sie bewegen sich im vagen Umfeld traditioneller US-amerikanischer Werte und Ideale und lassen sich zumeist als bloßes Gegenstück zu den kritisierten Eigenschaften und Einstellungen der Gegner beschreiben. Die Werte und Ideale werden dabei stets reichlich nebulös formuliert. So besteht das Ziel etwa daran, den »Spirit of America«, den US-amerikanischen Geist, wieder aufzurichten. Dazu gehört die Abwehr all dessen, was irgendwie an Kommunismus und andere ausländische Einflüsse erinnert. Auch die Arbeiterbewegung im eigenen Land sei nur Teil eines internationalen Komplotts.  

Als absolute, durch die US-Tradition geheiligte Werte gelten statt dessen Familie und Religion. Materielle Bedürfnisse spielen nur eine untergeordnete Rolle, da sie an demokratische und soziale Bewegungen erinnern. Zwar verspricht auch der Agitator gelegentlich, den Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Doch im wesentlichen offeriert er »Verhaltensweisen, kein Brot«. Der Hauptakzent liegt in der verbalen Gefühlsentladung, die sich dann einstelle, wenn die Amerikaner endlich »erwacht« seien. Die Anhänger werden aufgefordert, »zurückzuschlagen« gegen jene, die sie übervorteilen. Der Agitator kämpft nicht für universalistische Ziele, sondern für den Schutz »zur Abwehr des Feindes«. Dazu bedarf es einer klaren Entscheidung für die richtige, das heißt, die eigene Seite. Die Welt des Agitators ist somit durch eine klare Dichotomie gekennzeichnet. Gelegentlich schmückt er sich dabei mit allgemein anerkannten Namen, etwa denen George Washingtons oder Abraham Lincolns. Seine Einstellung ist bewusst nationalistisch im Sinne eines Amerikanismus, der keine Klassenunterschiede kennen will. Dazu gehört auch die Reinheit, ein Freihalten von allen »unamerikanischen« Verhaltensweisen. Sobald dies konkreter gefasst wird, ist zumeist vom freien Unternehmertum, von Individualismus, von Schutztarifen oder sichtbar gezeigtem Nationalstolz die Rede. Das eigentliche Programm bleibt dürftig.  

Gelegentlich zeigt sich ein großer Respekt für die institutionalisierte Gewalt. Zwar werden die Vertreter der Regierung – einschließlich der Rechtsprechung – regelmäßig angegriffen, doch letztlich will man diese Kräfte auf die eigene Seite ziehen. Das gleiche gilt für die Polizei. Auch ein Marsch auf Washington taucht immer wieder als Idee auf, um sich auf diese Weise Geltung zu verschaffen. Doch selbst dabei geht es keinesfalls um Machtübernahme oder gar Revolution. Das Ziel besteht eher darin, Regierung und Legislative ständig unter Druck zu setzen. Ein potentieller Aufruhr soll sich in Grenzen halten, denn die Masse ist im wesentlichen passiv und soll dies auch bleiben. Am ehesten erinnern solche Zielvorstellungen an einen Putsch. Dessen Zweck besteht nicht in der Umgestaltung der Verhältnisse, sondern im »Rauswurf«, gegebenenfalls auch in der Liquidierung des Feindes. Gewaltausbrüche sind für den Agitator unter diesen Bedingungen gerechtfertigt, sie gleichen einer Polizeiaktion. So sei es das Recht der einfachen, geradlinig denkenden und patriotischen US-Amerikaner, Vertreter des New Deals außer Gefecht zu setzen, ja sie kurzerhand einzusperren. Ihre Schuld werde sich später sicher beweisen lassen. Solche Gewaltphantasien sollen die Anhänger emotional aufstacheln.  

Ablenken von sozialen Missständen Immer wieder geht es in der Studie von Löwen­thal und Guterman um das zentrale Verhältnis von Agitator und Anhänger, das sich nur erschließt, wenn man den psychologischen Wechselbezug analysiert. Der Agitator kennt die Auswirkungen der sozialen Malaise und verstärkt die Vorurteile und Stereotypen, mittels derer von den wahren Problemen abgelenkt wird. Der Agitator hat zwar keine Lösung für die Probleme, auf die er pauschal Bezug nimmt, doch gibt er vor, als einziger die wahren Hintergründe zu kennen. Sein Ziel besteht in der Beherrschung der Massen. Gleichzeitig ist er sich bewusst, dass er keine wirkliche politische Macht hat. Es bleibt also nur das Gefühl persönlicher Macht, die auf dem Einfluss über die Anhänger beruht.  

In der Vergangenheit wirkten diese Mechanismen zumeist reichlich bizarr, Phänomene dieser Art galten als Produkte des »Lunatic fringe«, einer psychologisch derangierten, aber letztlich ungefährlichen Randzone, die man gewähren lassen könne. Löwenthals Studie hat dagegen frühzeitig auf die Mechanismen dieser Art von randständiger Kommunikation aufmerksam gemacht. Heute, siebzig Jahre später, sind die anfangs noch gleichsam mikroskopisch erfassten Probleme ins Makroskopische gewachsen. Die Trends der letzten drei oder vier Jahrzehnte, etwa die gewandelten Kommunikationsbedingungen, das intensivere Zusammenspiel von Regierung und Medien, sowie die stärkere Verbreitung rechter Radiosender wiesen bereits in diese Richtung. Doch dann saß plötzlich der Agitator selbst im Weißen Haus, eine Situation, die sich wohl kaum einer der Vorgänger aus den 30er oder 40er Jahren vorstellen konnte. Das Randphänomen rückte ins Zentrum der Macht und wurde zum Mainstream. Die Bindung an die Anhänger, deren Zahl nun ins Millionenfache gewachsen ist, bleibt dabei entscheidend. Sie hat, so lässt sich argumentieren, ihre Intensität nicht verloren. Moderne Kommunikationsmedien haben dabei eine wesentliche Rolle gespielt. Statt sich auf Reden im Radio oder Pamphlete und Broschüren zu beschränken, sorgen täglich versandte Kurznachrichten für einen weitaus engeren Kontakt. Sie stellen die Nabelschnur zwischen Agitator und Anhängerschaft dar.  

Auf diese Weise lässt sich die eingangs erwähnte unbedingte Loyalität erklären. Die Qualität dieser Bindung besteht nicht im Politisch-Programmatischen, sondern im Emotional-Identifikatorischen. Die Kurznachrichten informieren über die emotionalen Befindlichkeiten des Präsidenten, der seinerseits ein Spiel mit den Ressentiments der Anhänger treibt. Obendrein erklären die »Nachrichten« auch die Welt (wie Trump sie sieht). Die Folgen einer solchen Emotionalisierung und Realitätsverzerrung sind auch nach dem Abgang des Agitators nicht abzusehen. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass Trump sich nicht (nur) an persönlicher Macht berauscht hat, sondern die auf breiter Einflussnahme beruhende Macht als Flankenschutz zur Durchsetzung seiner Politik genutzt hat. Und diese Politik, sei es der Versuch der Niederringung des Konkurrenten China und die Verhängung von Schutzzöllen, sei es der Migrationsstopp, sei es die aggressive Außen- und Rüstungspolitik, hat durchaus die Zustimmung der von ihm beherrschten republikanischen Partei gefunden. Es ist also kein Wunder, dass sie bis zuletzt gezögert hat, sich von ihrem Protagonisten zu distanzieren.  

Anmerkung  

1 Leo Löwenthal und Norbert Guterman: Prophets of Deceit. A Study of the Techniques of the American Agitator, New York 1949. Eine englische Neuausgabe erscheint im April 2021 bei Verso. Die deutsche Neuausgabe erscheint im Februar bei Suhrkamp unter dem Titel: Falsche Propheten. Studien zur faschistischen ­Agitation. 

Junge Welt


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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1650519 2021-02-13T15:00:37Z 2021-02-13T15:02:16Z Wer sind Trumps Unterstützer*innen

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): Die Gefahr wird immer deutlicher, dass die Demokraten QAnon völlig falsch einschätzen. Versuche, Menschen wie Marjorie Taylor Greene als dumm und als Hillbillies darzustellen entsprechen keineswegs der Realität. Sie war auf dem College und wohnt in einem wohlhabenden Vorort. 

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): Es gibt kaum Unterschiede bezügl QAnon zwischen Menschen mit und ohne College-Abschluss, zeigen Umfragen. Die Demokratische Strategie zu behaupten, die Republikaner könnten entweder Wähler „mit College Abschlüssen“ anziehen ODER QAnon Fans, zeigt wie wenig sie verstanden haben.

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): Die Verhaftungen am Kapitol haben gezeigt, dass das gern erzählte Märchen von den weißen, armen Trump-Wählern, die von der Gesellschaft abgehängt sind, genau das ist: ein Märchen. Das Kapitol wurde von Ärzten, Anwälten, CEOs und Beamten gestürmt. 

https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2021/02/the-capitol-rioters-arent-like-other-extremists/617895/

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): Die durchschnittlichen Angreifer am 6. Januar waren älter als andere Extremisten, im Schnitt 40 Jahre. „40 percent are business owners or hold white-collar jobs. Unlike the stereotypical extremist, many of the alleged participants in the Capitol riot have a lot to lose“

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): „They work as CEOs, shop owners, doctors, lawyers, IT specialists, accountants. Court documents indicate that only 9% are unemployed. Of the earlier far-right-extremist suspects we studied, 61 % were under 35, 25 % were unemployed, almost none worked in white-collar occupations.“

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): Bücher wie „Hillbilly Elegy“ von JD Vance, einem häufigen Gast in Tucker Carlsons Show, der selbst wenig mit den Appalachen zu tun hat und selbst White Supremacist Narrative wiederholt hat, haben oft ein ganz anderes Bild gezeichnet - eines, das angenehmer für den Beobachter ist.

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): Trump Unterstützer seien weiße, benachteiligte Menschen, arbeitslos und zurückgelassen vom moderaten „Establishment“, die sich aus Wut und Hilflosigkeit in die Arme des Trumpismus geflüchtet hätten. Mit dieser Erklärung wurde auch versucht, den 6. Januar zu erklären.

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): Doch die Realität sieht anders aus. Die weiße Mittel- und Oberschicht hat Trump getragen, regelmäßige Kirchgänger, Menschen, denen es finanziell gut geht, Menschen, die nicht unbedingt White Supremacist Tattoos tragen. Es ist sehr viel unangenehmer sich damit auseinanderzusetzen.

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): Denn es ist viel praktischer, die Wut und den Hass mit wirtschaftlicher Abgehängtheit zu erklären. Doch das verkennt die Wurzeln des Trumpismus, die tief in die Geschichte des amerikanischen Konservativismus reichen: White Supremacy und christlicher Nationalismus.

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): Diejenigen, die am 6. Januar das Kapitol stürmten und sich auf die Jagd nach Politikern machten, stammten zudem nicht wie man denken könnte, aus Trump-Hochburgen: „If you presumed that only the reddest parts of America produce potential insurrectionists, you would be incorrect.“

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): Es handelt sich um eine Massenbewegung mit faschistischen Zügen, die vor Gewalt nicht zurückschreckt. Und diese Masse besteht nicht aus zahnlosen Hinterwäldlern, sondern ist ein Schnitt durch die amerikanische Gesellschaft: Ärzte, CEOs, Beamte sind dabei, und nicht zu knapp.

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): Die Demokratische Strategie, die Republikaner als die Partei QAnon zu bezeichnen, und ihren Wahlkampf komplett darauf auszurichten, birgt auch eine Gefahr: es wird 1. leicht sein für Republikaner sich nominell von QAnon einen zu distanzieren, aber ähnliche Verschwörungsmythen...

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): trotzdem zu verbreiten. Das sieht man ja jetzt bereits, wenn Menschen wie Sean Hannity oder Kevin McCarthy behaupten, sie hätten noch nie von QAnon gehört, obwohl sie selbst mehrfach Verschwörungsmythen, die diesem Spektrum zugeordnet werden können, verbreitet haben

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): 2. besteht die Gefahr, dass die Anhänger einer Partei, in der das einzige Motto „owning the libs“ zu sein scheint, allein deswegen sich QAnon auf die Fahnen schreiben werden. Das Ganze wird schon jetzt als Free Speech Issue geframed.

Annika Brockschmidt (@ardenthistorian): Bedeutet: Natürlich muss man die Republikaner dafür zur Verantwortung ziehen, was sie unterstützen. Aber sie als „GQP“ zu bezeichnen, macht es ihnen extrem einfach, diesen Angriff einerseits zurückzuweisen und für ihre eigene Zwecke zu nutzen.


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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1650027 2021-02-05T16:42:10Z 2021-02-05T16:42:10Z Wir haben es nicht gewusst, werden sie Ostern sagen. (Dokumentation, was man heute am 5.2.2021 weiß)

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): ⚠️TWO DIFFERENT #COVID19 PANDEMICS—Many think with cases dropping that pandemic is nearly over. But truth is, there are now 2 different #SARSCoV2 pandemics diverging—old strain is waning, while the more contagious #B117 strain is dominating. We will be soon slammed very hard. 🧵 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357566949404905472/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 2) Here is what is really going to happen... most countries are having a gentle case decline with R(e) currently around 0.9. But this is deceiving. The #B117 is still relatively rare so far, so the R is being influenced mostly by the old common variant. But not for long... 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357567789544914945/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 3) Here is what is going to happen... currently R is ~0.9 in many places, but with the more infectious #B117, the R will jump 50% approximately. And it is inevitable (all CDC and Danish models say this) that B117 will take over as the reigning dominant variant soon... 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357568274012192775/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 4) and when that happens, what worked before to keep the pandemic contained at R of 0.9 will no longer work. Here is the model for Alberta, 🇨🇦 by @GosiaGasperoPhD. The B117 dotted red line will soon dominate and drive a new surge in latter half of March and April. 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357568936942968832/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 5) And Denmark 🇩🇰 CDC has found the same thing. I GQR works now for keeping R around 0.9 or even 0.8, will absolutely not work anymore once #B117 variant takes over. Forget about it. We will be hit hard. But there is a way—if we suppress R to 0.7 or less.

https://covid19.ssi.dk/-/media/cdn/files/estimerede-scenarier-for-udviklingen-i-cluster-b117-270120212.pdf

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357569436404903936/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 6) The solution to defeating the #B117 is to chase a #ZeroCovid approach and slam the R even lower to below 0.7.... but optimally 0.6 or less. So that even when the #B117 arises, it will keep R under 1 (0.6*1.5=0.9). And by keeping R at 0.6 now—we will have buffer room for B117. 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357570672860495872/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 7) And again Denmark 🇩🇰 CDC agrees with that assessment. Their model for R of 0.8 shows it is insufficient to defeat #B117. But its model for R 0.7 shows it can be enough. 

https://covid19.ssi.dk/-/media/cdn/files/estimerede-scenarier-for-udviklingen-i-cluster-b117-270120212.pdf

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357571184825622528/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 8) The problem is that of the declining states, only 1 state is under R 0.7... which is Wyoming (figure below sorted from lowest to highest R). Every other state’s R is over 0.7. Thus while they would yield decreases now—they won’t once #B117 takes over. 

https://epiforecasts.io/covid/posts/national/united-states/

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357571975816896512/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 9) Meanwhile, the replacement thing is happening in England. #B117 is dominating while old common #SARSCoV2 is all but nearly gone. Total cases dropping only because of tight UK lockdown. But can UK sustain & not let up on gas pedal before politics caves to reopen too soon? 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357573654578659332/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 10) Here is another @GosiaGasperoPhD model of the same thing. Keeping the R at 0.8 level is not enough to stop the spread once #B117 takes over. 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357574222281904128/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 11) Denmark 🇩🇰 CDC @SSI_dk has been warning about this for over a month. The world hasn’t been listening. Aggressive mitigation for keeping R under 0.7 now is the only way. 

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 12) Let’s slam this home. suppose we have 1000 cases/day now... with an R=0.86 we could reduce it to 500/day in 2 weeks. 

➡️But w/ added contagiousness of B117 variant that has ~60% higher R, in 2 weeks, 3000 new cases/day instead. 

➡️6x difference in 2 wks

HT @GosiaGasperoPhD 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357575429121540103/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 13) The problem is that to get R low enough, what used to work won’t work anymore. When we previously could afford to open schools, it may be that when B117 becomes dominant, we might lose that buffer to keep R<0.7. 

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 14) Denmark CDC is becoming more right — contagious #B117 variant is continuing to solidify itself as 12.1% of sequenced #SARSCoV2 samples. 70% increase per week!

2.4%

4.0%

7.4%

12.1% 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357578023910969346/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 15) Denmark officials, despite their lockdown induced case drop, are really panicking. Seriously— read the WaPo article or this thread 🧵 below. They express that without the 100% sequencing, they would have been lulled into complacency. 

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 16) “Without this variant, we would be in really good shape,” said Camilla Holten Moller, co-leader of the @SSI_dk group modeling the spread of the virus.

“If you just look at the reproduction number, you just wouldn’t see that it was in growth underneath at all,” 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357580010903777282/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 17) The good news so far is that all the vaccines tested so far perform decently against the main #B117 variants, but maybe less so against the 🇿🇦 #B1352 and 🇧🇷#P1 variants. Pfizer, Moderna, etc mostly good for B117. See thread 🧵 below to catch up. 

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 18) So here comes the “but”... there is a new subtype of #B117 emerging... a mutated sublineage of regular main #B117 that had acquired the troublesome E484K mutation. This is the bad mutation that 🇿🇦 CDC & other studies helps B1351 evade antibodies. 

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 19) So what do we know about the #B117+E484K combo sublineage? Not much except this preprint study showing it is might be more resistant to antibody neutralization (more antibodies needed in lab study to neutralize the pseudovirus) than the common strain and the regular B117. 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357584403166289920/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 20) This #B117+E484K isn’t for sure resistant to vaccine. We don’t know yet. And we don’t know if it will still be more contagious like the main B117 is, but we should assume it is—& take precautions that it might be the double combo of more contagious & maybe antibody resistant.

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 21) could #B117+E484K be a fluke? Maybe. But it emerged recently in UK twice—independently arising in Wales, and arising in England. Just like in 🇧🇷 and 🇿🇦—so 4 times means convergent evolution is real. And convergent evolution is usually always greater survival fitness. 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357586099061862401/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 22) The other way to win is with mass vaccination like in Israel 🇮🇱 that has already vaccinated 50 shot per 100 people in the elderly. Hence now look how fast the cases, hospitalizations are diverging for those age 60+ vs 59 or under. That is the effect of **mass** vaccinations. 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357592764070981632/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 23) Actually, Israel 🇮🇱 has now reached 60 vaccination shots per 100 people: 4x UK 🇬🇧 and 6x the 🇺🇸. Rest of EU is much much lower. 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357595943634403328/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 24) Another alarming datapoint: 10% of the village of Corzano 🇮🇹 has the #B117 variant—10% of all residents!!! 

https://tg24.sky.it/milano/2021/02/03/variante-covid-corzano-brescia/amp?__twitter_impression=true

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 25) Moreover, of the 10% of the infected 🇮🇹 village with #B117 UK variant, 60% of cases are kids from kindergarten and primary school, while other 40% are their parents. Schools in the village have closed now. 

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 26) BOTTOMLINE: unless we can mass vaccinate quickly like Israel (which is still not 1/3 of the way done), we must continue to mitigate with *premium* masks preferably and with airborne virus precautions to ventilate.  

💡No virus = No mutation. 

#ZeroCovid #COVID19 #COVIDzero 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357603464797425664/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 27) here is where you can find the R(e) or R(t) in your US state. 

https://epiforecasts.io/covid/posts/national/united-states/

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 28) Please switch to premium masks if you can. KN95, KF94, FFP2, etc.... the new variant is just too contagious not to take extra precautions. 

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 29) If you’re skeptical, you don’t have to take my word alone. Read this article in Science magazine by @kakape, he essentially outlines the same thing as I have with the ominous pandemic future of #B117. I trust my colleagues at Denmark 🇩🇰 @SSI_dk a lot. 

https://www.sciencemag.org/news/2021/02/danish-scientists-see-tough-times-ahead-they-watch-more-contagious-covid-19-virus-surge

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 30) Also why aren’t we aware of that much #B117 in other countries besides Denmark and UK? Well because most countries sequence almost nothing (panel B is a log scale - so the drop off is much much worse as you go down), and also very slow in sequencing even when they do. 

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357656463242653698/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 31) Based on the limited #SARSCoV2 genomic sequencing that we do have... here is how different mutations are growing in each country so far (data slightly older by 1.5 weeks). Pink is the N501 mutation (seen in a few, but #B117 is the main variant with it)

https://covariants.org/per-country https://twitter.com/DrEricDing/status/1357671509603540996/photo/1

Eric Feigl-Ding (@DrEricDing): 32) Is #B117 a VARIANT or new STRAIN? People are now use them interchangeably. Let’s end the confusion. Experts say a variant is crowned a new strain when:

📌Becomes dominant (B117 🇬🇧)

📌More transmissible (B117), deadlier, or modifies immunity. #COVID19

https://www.latimes.com/science/story/2021-02-04/whats-difference-between-variant-strain-coronavirus?_amp=true

https://twitter.com/DrEricDing/status/1357690382772031492/photo/1



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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1648596 2021-02-02T13:00:35Z 2021-02-02T13:00:45Z Die Spatzen schrakeln im Regen in der Buchsbaumhecke

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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1648554 2021-02-02T11:04:42Z 2021-02-02T11:04:42Z Die Schule ist aus – und vorbei

 

Der Aktivist Rosa von Praunheim hat 1971 für das öffentliche Fernsehen in Deutschland einen Film produziert mit dem Titel: „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“. Dieser Filmtitel bringt ein fundamentales Merkmal von Kultur zum Ausdruck: dass Normalität eine Frage des Kontextes ist, innerhalb dessen sie beansprucht wird; dass alles, was Kultur ist, auch anders interpretiert werden kann und hin und wieder sogar muss.

Normalität und das gesellschaftlich Normative sind also nicht vom Himmel  gefallen. Sie sind kulturelle Konzepte. So ist das auch mit der Schule. Auch die ist ein Konzept, das einmal erfunden wurde. Aus Gründen. Heute ist sie eines der wenigen, das uns noch geblieben ist aus den letzten hundertfünfzig Jahren. Normativ hoch aufgeladen und sakrosankt wie einst die großen christlichen Kirchen, die ihre Funktion als moralische Flüstertüte des Kapitalismus verloren haben - so staatstragend sie einmal waren. Die meisten anderen Systeme (z.B. Politik oder Gesundheit) sind, was ihre Funktionsweise betrifft, ökonomisiert.

Derzeit scheint alle gesellschaftliche Hoffnung am Phänomen Schule zu hängen. Sie muss in jedem Fall "offen" bleiben, damit Kinder nicht den Anschluss verlieren. Woran? An die Schule natürlich. An den Stoff, die nächste Prüfung, den Abschluss. Sie muss offen bleiben, damit Eltern zur Arbeit können oder ihre Kinder nicht quälen. Manchmal sogar, damit sie was zu essen haben. Medien verbreiten die Hiobsbotschaft: "Schulausfall kostet zukünftige Generationen bis zu 3,3 Billionen Euro".

Schule erscheint als letztes Refugium eines Humanismus, der nicht wirklich einer war, wie dieses Diagnose-Feuerwerk zu beschreiben weiß:

Diejenigen Merkmale, die in der Zeit um 1900 nur eine schmale Oberschicht  kennzeichneten, charakterisieren heute grosse Bevölkerungsanteile  Europas (und Deutschlands ganz besonders ...): Mangel an Tatkraft,  geringer Glaube an sich selbst, Reflexionsüberhang,  Entscheidungsschwäche, Zukunftsangst, Orientierungsverlust,  Vergnügungssucht, Überempfindlichkeit, Weichlichkeit bei latenter  Grausamkeit, Narzissmus, Haltlosigkeit, Depressivität und  Handlungslähmung, Identitätsschwäche, Rollenspiel, Egozentrik, Mangel an  Gemeinsinn, Sexualisierung, Psychologisierung, Nervosität,  Hypochondrie, Alkoholismus, Fress- und Magersucht, Historismus,  Entpolitisierung und Ästhetizismus, Stilpluralismus, Manierismus,  Zitatverliebtheit an Stelle von Eigenschöpfung, Schein statt Sein,  Dezisionismus bei gleichzeitig schwacher, gelegentlich aber theatralisch  auftrumpfender Willenskraft. (Hermann Kurzke: Elend, Glanz und Komik  der Dekadenz. Tagesanzeiger 6.8.2005, S. 37).

Auf mich macht Schule den Eindruck einer ultimativen kulturellen  Projektionsleinwand. Eine Art Rettungsboot für alle. Das verleiht ihr in den hitzigen Debatten über sie den Nimbus einer Institution, die eigentlich nicht zur Diskussion stehen darf. An ihr herumkritteln: klar. Sie Reformen unterziehen: bitteschön. Sie digitalisieren: wenn es sein muss. Aber sie selbst darf nicht zur Disposition stehen.

Schule ist vorbei

Doch diese Situation ist eingetreten. Schule als System ist zu Ende. Ähnlich wie andere kulturelle Trägersysteme, die erfunden wurden, um über Jahrhunderte hinweg gesellschaftliche und ökonomische Stabilität zu garantieren, und die dann unter mehr oder weniger großem Lärm abgewickelt wurden. Wir stehen an einem Punkt der Geschichte, wo das System Schule seine Funktionen als Stabilisator und Reproduzent von Kultur verloren hat und in wirklich jeder Hinsicht dysfunktional  geworden ist.

37 Sekunden Ausschnitt aus dem Trailer zum Film "School Circles"

Schule garantiert nicht mehr "gesellschaftlichen Fortbestand" und ermöglicht nicht mehr "kulturelle Teilhabe", weil sie sich in ihren Strukturen und Prozessen auf eine Kultur und auf eine Gesellschaft bezieht, die nicht mehr existieren. Auch auf die fundamentalen ökonomischen Herausforderungen bereitet sie in keiner Weise vor. Dennoch halten sich ganz viele Akteure (Lehrende, Eltern,  Bildungspolitiker:innen und auch Lernende) an der Idee fest, dass all die Probleme, die Schule hat und hervorbringt, in den Griff zu bekommen seien. Sie sind nach wie vor davon überzeugt, dass wir das hinkriegen mit genügend Geld und so viel Reform, wie es halt (zum x-ten Mal) braucht. Lehrende hoffen auf andere Schüler und Eltern, Eltern und Lernende auf andere Lehrer, und natürlich: digitale Infrastruktur muss her. Doch da liegt ein fundamentaler Irrtum.

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Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess.

Die aktuelle Pandemie wirkt wie ein Kontrastmittel. Wir beklagen zwar vor allem fehlende digitale Infrastruktur und Kompetenz. Doch tiefer scheint ein anderes Problem zu liegen: Autoritäre Strukturen und Menschenbilder; ein großes Misstrauen und eine uralte Inkompetenz-Vermutung gegenüber Schüler:innen, die mit Adultismus mittlerweile auf den Begriff gebracht ist. Eine im Obrigkeitsdenken und im autoritären Menschenbild verwurzelte Überzeugung, dass der Mensch nur funktioniert, wenn er/sie direkt und ununterbrochen kontrolliert wird und vor allem: wenn er und sie sich lückenlos einpasst in das  System: "Sozialisationsprozesse sind dann erfolgreich, wenn die Individuen am Ende genau das tun wollen, was das System benötigt, um sich zu reproduzieren." (Zygmunt Baumann, Leben in der Flüchtigen Moderne, S. 150)

Nur ist es heute nicht mehr die Gesellschaft oder die Kultur, die sich mit Hilfe von Schule reproduziert. Schule reproduziert nur noch sich selbst.

Ein Beispiel: Der Einsatz heilpädagogischer Berufe und der Ruf nach ihnen nimmt stetig zu. Entsprechende Studiengänge & Stellen werden immer wichtiger. Vordergründig geht es dabei um die Unterstützung von Kindern mit Problemen. Tatsächlich geht es aber um eine Illusion von "Reibungslosigkeit" nach dem Vorbild industrieller Produktionsabläufe: Wer sich nicht von sich aus in das Belehrungssystem einpassen kann, wird hineinunterstützt. Maike Plath spricht metaphorisch von der Untertanenproduktionsmaschine, und auch Andreas Schleicher stellt fest, dass das industrielle Arbeitsmodell nach wie vor großen Einfluss auf die Schulkultur hat. Heilpädagogik, Logopädie, Schulsozialarbeit,  Ritalin und Nachhilfe werden als Überlebensstrategien des Schulsystems  eingesetzt. Es geht um die Rettung einer anachronistischen Vorstellung von Normalität.

Dieses Mindset bringt die Problematik mitsamt den Kindern, die "Probleme  machen", also womöglich erst hervor. Darauf verweisen z.B. die Langzeitstudien von Remo Largo. Auch erleben mehr und mehr Kinder und ihre Eltern seit Jahren auf ganz nicht-wissenschaftliche Weise, dass Schule eher krank macht als klug,  wie die Lerntherapeutin und Ex-Lehrerin Corinna Milinskiexemplarisch beschreibt und auffängt.

Wir sind an einem Punkt angekommen, wo – wenn überhaupt – nurmehr die  Kinder und Jugendlichen "unauffällig" (!) bleiben, die ein gefestigtes soziales und am besten auch materiell gepolstertes Lebensumfeld haben, denn Nachhilfe wird, im Unterschied zu Ritalin & Co, nicht von der Krankenkasse bezahlt.

Wir nehmen nicht wirkmächtige Zusammenhänge in den Blick, sondern operieren an den Folgen herum. Wichtig ist, dass die Verantwortlichen in ihre Sessel zurückfallen können mit dem ruhigen Gewissen, dass sie nun wirklich alles mögliche getan haben, was Wirt- und Wählerschaft zuzumuten ist. Das Vorgehen ist auf perfide Weise hermetisch: Das Schulsystem erweckt den Eindruck, dass es „etwas für die Kinder tut“ und erwartet diesbezüglich vor allem Dankbarkeit und Zustimmung. Dass es selbst Verursacher eines Problems ist (z.B. in dem es "lernschwache Schüler" hervorbringt), zu dessen Lösung es dann großzügig antritt (indem es dann lernschwache Schüler entsprechend beschult), diese erfahrungs- und reflexionsgesättigte Erkenntnis, die wird ausgeblendet. Aus Gründen.

Nicht das Kind ist krank, sondern die Schule, in der es steckt

Schule bringt aber nicht nur Probleme hervor, die sie dann zu lösen vorgibt. Vielmehr vermittelt sie unzähligen Kindern und Jugendlichen ja ein Selbstbild als problematische, zurückgebliebene, als nicht oder nur schwer integrierbare Menschen. Sie (re-)produziert mit dem Benotungs- und Bewertungsunsinn den Leistungsdruck auf junge Menschen. Wo sie nicht selber aktiv diskriminiert, reicht Schule Diskrimierung durch bzw. verstärkt bestehende Formen.

Dabei ist völlig aus dem Blick geraten, dass wir Menschen niemals sind: lernschwach oder bildungsfern etwa. Wir verhalten uns: so oder anders. Auch und gerade Schüler:innen. Die Situation, in die Schule junge Menschen steckt, hat immer einen fundamentalen Anteil daran, wie sich diese Kinder und Jugendliche dazu verhalten. Selbst Probleme wie das Mobbing, das ja reflexartig an den Kindern und an ihrem kulturellen bzw. familiären Hintergrund festgemacht wird, an den Medien und den Eltern, gedeihen ja vor allem in bestimmten schulischen Kontexten.

Wer (Cyber-)Mobbing verstehen möchte, sollte nicht bloß auf die Kinder schauen, die es praktizieren, sondern auch auf die Schule als ein Kontext, in dem das passiert. Die Tatsache, dass sich Mobbing an innovativen und alternativen Schulen nicht durchsetzt, hat nicht damit zu tun, dass dort „halt spezielle Kinder sind“, die sich die Schule wie Rosinen herauspickt. Es hat damit zu tun, dass das Phänomen an solchen  Schulen keine Chance hat, weil Kinder und Jugendliche, die auch dort aus jedem erdenklichen persönlichen Background kommen, eine andere Kultur  des Lernens und der Gemeinschaft erfahren, und weil sie dort ganz anders lernen, mit Macht umzugehen.

Ganz zu schweigen davon, dass auch Kinder und Jugendliche, die einigermaßen unauffällig durchkommen (aka „erfolgreich“), in der Schule schon lange nicht mehr auf das vorbereitet werden, was die Gegenwart an Haltungen, Fähigkeiten und Einstellungen erfordert. Hier lautet die Begründung von Seiten der Schule immer wieder: "Wir können unsere Arbeit deshalb nur noch schwer machen, weil wir immer mehr problematische Kinder haben." Dass ein Kind ganz einfach überfordert ist, wenn es in einen Rahmen gespannt wird, der die Individualität von Lernen und Persönlichkeitsentwicklung systematisch ignoriert und unterdrückt, gerät nicht in den Fokus der Überlegung. Vielmehr ist genau dann zu hören,  Kinder müssten als erstes lernen, sich ein- und anzupassen, sich unterzuordnen. Und wer das nicht kann, brauche halt Unterstützung – oder eine andere Schule.

Schule als System kann schlicht und einfach nicht mehr die kulturelle Vielfalt und Heterogenität bewältigen, die sich in unseren Lebens- und Arbeitswelten heute abbildet. Dafür wurde sie nicht erfunden. Deshalb erfinden sich im Moment ja auch vielerorts ganz neue Konzepte von Lernen und Bildung.

Foto: Aus dem Video Ninnoc von Niki Padidar

Wir brauchen keine andere Schule sondern eine Alternative

Wir brauchen einen Zusammenschluss all jener Kräfte in unseren Gesellschaften, die Bildung und Lernen auf viele kulturelle Schultern nehmen; nicht verteilen sondern in Angriff nehmen, selber in die Hand nehmen; die die Anliegen von Bildung und Lernen gemeinsam und grundsätzlich neu praktizieren. Nicht nur vereinzelte Eltern und Elterngruppen, die ihre Kinder aus der Schule nehmen, weil es  nicht mehr anders geht – wie es zunehmend in Ländern geschieht, die keine Schulpflicht kennen. Das kann nur ein Anfang sein. Ein wichtiger und wertvoller Anfang, weil er alarmiert. Aber es geht um viel mehr. Es geht darum, dass wir für Kinder und Jugendliche völlig andere Räume und Formen des Lernens entwickeln, bauen und umsetzen – und das passiert ja bereits, gegen den hartnäckigen Widerstand der staatlichen Bildungsmonopolist:innen.

Die traditionellen Institutionen zu adressieren oder auf sie zu warten, ist deshalb sinnlos, wie im Kontext der Pandemie gerade deutlich wird, denn die sind weder bereit noch fähig, sich auf innovative Initiativen einzulassen und von ihnen zu lernen. Die Safaris und Wallfahrten, die Bildungspolitiker und Hochschulen schon länger zu solchen Initiativen unternehmen, enden so, wie die Ausflüge von Politikern und Unternehmern ins Silicon Valley: Sie kehren erschreckt und fasziniert in die eigene Welt zurück mit der Erkenntnis, "dass das so bei uns natürlich nicht funktionieren kann" – aus Gründen.

Die Fragen, die wir uns jetzt zu stellen haben, sind: Was spricht dafür, im großen und ganzen so weiterzumachen wie bisher, mit all diesen Ausreden und Begründungsreflexen, weil wir das bestehende Schulsystem weiterhin für das beste aller möglichen halten, an dem wir hier und da rumschrauben und reformieren, digitale Tools importieren und eine Schulsoftware, die Frontalunterricht, Leistungsnachweise und Lehrermangel optimal digitalisiert? Und was spricht dafür, dass die traditionelle Schule zu Ende gegangen ist: konzeptionell, methodisch und in Bezug auf ihr Menschenbild? Erkennbar daran, dass sie die meisten jener Probleme, die sie hat, selber hervorbringt, indem sie pausenlos  mehr desselben tut in einer Situation, in der ein radikaler Neuanfang die Lösung ist.

Die großen Institutionen, die dem Umfang nach immer noch das ganze  Bühnenbild und den Szenenaufbau dessen beherrschen, was wir unsere  Gesellschaft zu nennen fortfahren, obwohl sie mehr und mehr in einer  Inszenierung aufgeht, die mit jedem Tag an Plausibilität verliert,  nachdem sie sich sogar der Mühe enthoben glaubt, das aufgeführte  Schauspiel zu erneuern, und ein ganzes gescheites Volk durch ihre  Mediokrität hinabzieht – die großen Institutionen also gleichen jenen  Sternen, deren Licht uns erreicht, während sie, wie die Astrophysik uns  lehrt, seit langem schon erloschen sind. (Michel Serres, Erfindet euch neu! Eine Liebeserklärung an die vernetzte Generation, S. 62.)

Das neue Lernen ist in den Nischen

Aufgrund meiner Beobachtungen, Beratungen, Expeditionen, Gespräche und  Recherchen vermute ich, dass vor allem jene Initiativen stark an  gesellschaftlichem Einfluss zunehmen, die nicht innerhalb des bestehenden Schulsystems innovativ werden, sondern im freiem Feld: initiiert von Menschen, die verstanden haben, was es braucht; die das Geld und auch die Aufmerksamkeit zusammenkratzen, um ihre wertvollen Konzepte weiterzuentwickeln und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das ist im Moment noch mit hohen Risiken verbunden – vor allem im alten Europa, wo Staaten wie Deutschland ihre  Bürger:innen mit einer rigorosen Schulplicht drangsalieren und ausschließlich traditionelle Systeme alimentieren – sei es mit Geld, sei es mit Gültigkeit. Fatal ist, dass wir alle im Moment noch am staatlichen Bildungsmonopolismus hängen, der jedoch zum Glück nicht verhindern kann, dass sich in Nischen wunderbare Initiativen entwickeln und verbreiten – und damit meine ich nicht jene Privatschulen nach Schweizer Vorbild, die jährlich Zigtausende von Euro dafür kassieren, um junge Leute durch's Abitur zu bringen, die also am Ende doch wieder im Takt des traditionellen Systems tanzen.

Ich meine jene Initiativen, die selber ums finanzielle Überleben kämpfen, gerade weil sie mit einem völlig anderen Konzept arbeiten, als staatliche Schule. An dieser Stelle seien einige genannt, in denen ich die Zukunft des Lernens sehe: Das mittlerweile über 50-jährige Konzept der Sudbury Valley School in seiner ganzen Radikalität, aufgegriffen und weiterentwickelt in den Demokratischen Schulen, die School Circles in den Niederlanden bzw. ganz aktuell dort die Agora-Schulen, die Grundi in der Schweiz, und für mich besonders beeindruckend, weil sie gerade ein internationales Netzwerk aufbauen: die Learnlife-Comunity.

Das neue Lernen, das wir so dringend brauchen, wird sich weder im alten  Schulsystem entfalten, noch aus ihm heraus. Vergleichbar mit vielen  Entwicklungen, die wir momentan im Kontext der Digitalisierung erleben, und die sich allesamt an anderen Orten auf dieser Welt abspielen. Das alte Europa, und darin ganz besonders Deutschland, ist kraft- und mutlos geworden. Zelebriert wird das Alte, wird die Wiederholung.

Der patriarchale Traditionalismus mit seinen Symbolen und Artefakten, mit seinen Hierarchien und Seilschaften durchwirkt noch immer alles, damit das radikal Neue nicht Fuss fassen kann: nachhaltige Formen des Wirtschaftens und des Zusammenlebens, ökologische Neuanfänge auf breiter Ebene, Überwindung nationalistischer Narrative, Erfindung neuer Erzählungen über lebenswertes Leben, eine Ahnung davon, wie unsere Zukunft aussehen könnte, statt des ritualhaften Abhakens all jener Vorschläge, die nicht genehm sind. Aus Gründen. Überall Vermeidungsängste statt Zukunftshoffnungen. Und dazwischen das gute alte "panem et circenses" (Brot und Spiele) im neuen Gewand.

Der erste Schritt, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist ein Unterbrechen der Versorgung unseres Schulsystems mit "menschlichem  Nachschub". Entweder wir gehen dieses Risiko ein und praktizieren Bildung und Lernen jetzt neu – die Alternativen sind ja weltweit bereits vorhanden, oder wir gehen vor die Hunde. Ob wir das wahrhaben wollen oder nicht.

Die Herausforderung, die es für die nächsten Generation bedeutet, aus dem heruntergewirtschafteten Ort, den wir ihnen hinterlassen, wieder einen Lebensraum zu machen, sind riesig. Und es ist unsere Aufgabe, jungen Menschen erstens alles aus dem Weg zu räumen, was es ihnen erschwert, diese Zukunft zu gestalten und ihnen zweitens alle Unterstützung zu geben, die sie fordern, um das zu leisten.

Abschließen möchte ich mit (m)einer Zusammenfassung eines Interviews,  das Luisa Neubauer vor einigen Wochen dem Schweizer Tagesanzeiger gegeben hat, wobei ich ihre Worte zitiere. Für mich ist das ein wunderbarer 13-Punkt-Plan für den politischen, den kulturellen und den gesellschaftlichen Neuanfang; für eine neue Gesellschaft,

die Bildung und Lernen nicht mehr an ein totes System delegiert, sondern das selber in die Hand nimmt.
Foto: Hermann Bredehorst (Polaris, Laif). Quelle: Tagesanzeiger
  1. Hoffnung hat man nicht. Sie entsteht, wenn sich etwas bewegt. Im besten Fall ist man selbst daran beteiligt. Für mich entsteht Hoffnung aus Menschen, die sich organisieren.
  2. Bei der Überwindung der Klimakrise geht es auch darum, wie eine klimagerechte Welt, wie eine Welt, in der alle glücklich sein können, aussehen wird.
  3. Die Realitäten, mit denen wir uns befassen, sind da. Ob wir darüber sprechen oder nicht. Wir müssen auf die Heftigkeit, auf die Wucht, auf die Gewalt der realen Klimaveränderungen eine Antwort finden.
  4. Wir müssen dem eine Handlungsebene entgegenstellen, eine Ebene, auf der wir selbst aktiv werden können: Viele Möglichkeitsfenster aufstoßen. Solange ich mich mit den Lösungen beschäftigen kann, halte ich auch die krasse Realität aus. Und bleibe fröhlich!
  5. Wenn wir einer Sache gerecht werden wollen, dann braucht es ganz viele Menschen, die sich einer Sache gemeinsam anschließen.
  6. Menschen sind zu unglaublichen Unbequemlichkeiten bereit, wenn sie verstehen, warum es nötig ist.
  7. Es muss ein überparteiliches Selbstverständnis geben, dass jede Partei ein Programm benötigt, das es ermöglicht, die Versprechen des Pariser Abkommens zu erfüllen. (Stellen Sie sich vor, wie schön es wäre, wenn wir nicht nur ein Parteiprogramm hätten, das halbwegs klimakrisentauglich ist, sondern fünf! Dann hätten wir auf einmal einen Ideenpool, aus dem wir ganz anders schöpfen könnten.)
  8. Ich finde es richtig, zu überlegen, wie man Menschen noch einmal anders zu Wort kommen lassen kann. In anderen Ländern haben repräsentative Bürgerräte bereits erstaunlich radikale Lösungen vorgeschlagen.
  9. Wir haben kein Hauptquartier, keine juristisch verbindlichen Strukturen – wir sind, was wir tun.
  10. Gespräche drehen sich um die Frage, was alles geht, nicht um das, was nicht geht.
  11. ... von der Straße her die Parteien derart unter Druck zu setzen, dass sie tun, was nötig ist. Unsere Aufgabe ist es, an diesem System so lange herumzuschrauben, bis wir drei wesentliche Defizite behoben haben: das Emissions-, das Zeit- und das Gerechtigkeitsproblem unseres gesellschaftlichen Systems.
  12. Die Bedeutung von Erfahrungswissen und Zukunftswissen verschiebt sich. Die Lebensperspektive von jungen Leuten wird immer wichtiger, während das angesammelte Wissen und die Erfahrung der älteren Generation an Übermacht verliert.
  13. Wenn bereits drei junge Frauen sichtbar sind, dann kommen eher weitere dazu.

Quelle


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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1648200 2021-02-01T17:58:13Z 2021-02-01T18:01:11Z Kindeswohl: Schule als Ort der Glückseligkeit

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): In Zeiten, in denen #Schulen i.d. Öffentlichkeit weitgehend zu einem Ort kindlicher+jugendlicher Glückseligkeit verklärt werden, möchte ich mit diesem Thread  daran erinnern, dass diese Vorstellung als "umstritten" gelten kann, gelinde gesagt. 1/15

https://www.prosoz.de/fileadmin/dokumente/service-downloads/Elefanten-Kindergesundheitsstudie_2012.pdf

https://twitter.com/Andrejnalin77/status/1355622232647741440/photo/1

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): Die linke o.a. Grafik stammt aus "Über die Gefährdung des Kindeswohls durch die Schule. Ein unmögliches Essay zur Therapie einer krankmachenden Institution" des Erziehungswissenschaftlers+Sonderpädagogen Hans Wocken, das ich zur Lektüre empfehle. 2/15

https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/21/21

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): Dort heißt es u.a.: "Schule ist eine pädagogische und eine gesellschaftliche Einrichtung; [...] Aber dieser Auftrag, auf das Leben vorzubereiten, wird von der heutigen Schule einseitig interpretiert als Vorbereitung auf eine neoliberale Konkurrenzgesellschaft." 3/15

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): Das muss man nicht so sehen, aber es zeigt, dass es keineswegs einfach gegeben ist, dass Schule dem Kindeswohl per se förderlich ist. Und es gibt zahlreiche Befunde, die belegen, dass es zB für viele Mädchen/junge Frauen, Minderheiten und Behinderte überhaupt nicht so ist. 4/15

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): "Geschlecht, Migrationsstatus+Sozialstatus haben einen durchgängigen Einfluss auf die Prävalenzraten von psychosozialen Auffälligkeiten. Kinder mit Migrationsstatus zeigen mehr Auffälligkeiten. Der deutlichste Einfluss geht von dem Sozialstatus aus."

https://www.kiggs-studie.de/deutsch/studie.html 5/15 https://twitter.com/Andrejnalin77/status/1355622240088416262/photo/1

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): Auch im angloamerikanischen Raum werden Schul-Traumata längst lang und breit diskutiert: Da es hier um Deutschland geht, verlinke ich nur einen Artikel, der sich speziell um Minderheiten dreht, das grundsätzliche Thema Bullying käme noch dazu. 6/15

https://www.tolerance.org/magazine/summer-2019/when-schools-cause-trauma

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): Erinnern wir uns, wie voll Popkultur mit Inhalten ist, die Schule als Ort der Rebellion dagegen beschreiben, von Morrisseys "Belligerent ghouls", die die "Manchester schools" betreiben, über "Hurra, hurra, die Schule brennt" bis Bart Simpson. 7/15

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): Wenn ich im #Corona-Kontext Meldungen wie diese lese, die v.a. anekdotische Behauptungen von Kinderärzten enthalten, und als altbekanntes und scheinbar offensichtlichtes Allheilmittel Schulöffnungen empfehlen, werde ich daher ziemlich skeptisch. 8/15

https://www.tagesschau.de/inland/kinder-corona-109.html

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): Weil: Es könnte ja sein, dass die Kids schlicht in einer Albtraumwelt leben, die aus lernen, essen, schlafen besteht, kaum Freunde, keine Hobbys, kein Sport, keine Kultur, dafür Existenzängste, Gesundheitsängste usw. Social Media+Games erscheinen mir da noch als das Geilste. 9/15

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): Zudem wird geflissentlich übergangen, dass nach wie vor je nach Bundesland ca. 1/3 der Grundschüler im Präsenzunterricht, in Hamburger Kitas gar 50% der Kinder anwesend sind. Man darf annehmen, dass es sich überproportional um Kinder handelt, deren Eltern... 10/15

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): ... jene "systemrelevanten" Jobs haben, die sich nicht im Home Office machen lassen - also genau die Klientel, um die man sich angeblich so sorgt. Natürlich kümmert es sonst im Sommer kaum wen, dass arme Familien nicht verreisen können und Kinder vernachlässigt rumhängen. 11/15

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): Zweitens erscheint es mir im Lichte jahrzentealter Pisa- und Inklusions-Debatten nicht besonders glaubwürdig, wenn eine diskursprägende akademische Mittel- und Oberschicht ausgerechnet in der Pandemie auf einmal "Bildungsgerechtigkeit" als Herzensthema entdeckt. 12/15

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): Wem es wirklich um Kinder+Jugendliche, ihre Verletzungen+Traumata während dieser ganzen Scheiße hier geht, kann sich deshalb nicht im Ruf nach offenen Schulen erschöpfen. Diese Eindimensionalität existiert nur i.d. Vorstellung von Schulsenatoren+Kultusministern. 13/15

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): Zumal wenn diese auch noch kund tun, i.d. Schule sei alles super, aber das Privatleben sei das Problem. Nein, das Problem ist, dass Kindheit+Jugend i.d. pandemischen Gesellschaft (er-)lebbar sein müssen. Dass volle Schulklassen dafür notwendig sind, ist nicht erwiesen. 14/15

Andrej Reisin (@Andrejnalin77): Meine Frage ans Publikum lautet daher: Welche Studien gibt es, die die #Corona- und #Lockdown-Auswirkungen auf Kinder+Jugendliche in Deutschland fundiert untersuchen? Und sich dabei genau um die o.a. Indikatoren kümmern? 15/15 @PatrickGensing @DieVilla4 @elvira_rosert @ciffi


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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1647979 2021-02-01T09:40:06Z 2021-02-01T09:40:15Z Die wichtigsten Fragen zum Gamestop-Chaos an den Börsen, erklärt von einer Kuh

Gezielte Absprachen von Kleinanlegern treiben derzeit die Aktienkurse angeschlagener Unternehmen wie GameStop in die Höhe und Hedgefonds in den Ruin. Weil die Postillon-Redaktion bei derart komplexen Themen selbst nicht wirklich durchblickt, haben wir uns externe Hilfe geholt. Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum GameStop-Chaos an den Börsen, erklärt von einer Kuh:


Was ist GameStop?
Muuuuuuh!

Was geschah im Reddit Wallstreetbets?

Mmmmmmmu!

Wer ist von den steigenden GameStop-Aktien betroffen?

*Schmatzgeräusch*

Was sind Leerverkäufe?

Muuuh!

Was sind Hedgefonds?

*Pflatsch*

Was treibt die Kleinanleger an?

Muh!

Warum haben die Tradingplattformen RobinHood und TradeRepublic den Kauf bestimmter Aktien untersagt?

Muuuuh!

Wie haben die User darauf reagiert?

Muuuuuuuuuuuuuuuh!

Sollte das nicht eigentlich die "freie Hand des Marktes" regeln?

Mmmuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuh!

Was sagen die Börsenaufsicht und Wirtschaftspolitiker zu dem Vorfall?

Muuuuh! Muuuuuh!

Wie ist die Lage aus juristischer Sicht?

Muuuuuuh!

Wie reagieren die Hedgefonds?

*Schnaubgeräusch*

Aber haben die Hedgefonds nicht vorher auch ständig den Markt manipuliert?

Mmmmmmmmuuuu!

Können Kleinanleger inzwischen wieder mit GameStop-Aktien handeln?

Muuuh!

Sollte ich auch in GameStop-Aktien investieren?

*Schmatzgeräusch*

Besteht durch den GameStop-Vorfall die Gefahr eines Dominoeffekts?

Muuuuh!

Ist das kapitalistische System an sich ein Problem?

*PflatschPflatschPflatsch*

Gäbe es derartige Probleme überhaupt, wenn man aus der Finanzkrise 2008 die richtigen Konsequenzen wie etwa einen Verbot von Leerverkäufen, eine Finanztransaktionssteuer oder die Zerschlagung von Hedgefonds gezogen hätte?

Muuuuuuh!

Wie wird sich der Börsenkurs von GameStop weiter entwickeln?

Bauer, mit Mistgabel wedelnd: "Heee! Sie da! Was haben Sie auf meiner Weide zu suchen? Weg hier, aber zackig! Ich glaub, es hackt! Und wehe, Sie schicken keine Abschrift des Interviews zur Freigabe!"

tla, ssi, dan; Fotos: Shutterstock

https://www.der-postillon.com/2021/01/FAKuh.html



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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1647981 2021-02-01T09:34:41Z 2021-02-01T10:06:32Z Hold!

[l] Melvin Capital hat gegen die Reddit Army offenbar über 50% seines Vermögens verzockt, und das ist nicht wenig:

Demnach habe sich das von Melvin Capital investierte Vermögen, das sich zu Jahresbeginn auf 12,5 Milliarden Dollar belaufen habe, bis Monatsende um 53 Prozent reduziert.

Tja, wie das so ist im Leben. Eine Milliarde hier, eine Milliarde da, nach einer Weile kommt da richtig Geld zusammen!

http://blog.fefe.de/?ts=9ee99fff



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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1647533 2021-01-31T14:20:38Z 2021-01-31T14:20:38Z Wissenschaft und faule Kompromisse und Neutralität und Daten

Mela Eckenfels (@Felicea): Ich wollte noch etwas zu Neutralität schreiben, da der Begriff meinem Empfinden nach derzeit mal wieder massiv mißverstanden oder gezielt mißbraucht wird. 

Allgemein, im Bezug auf Wissenschaft und im Bezug auf das Wissenschaftsverständnis von Hendrik Streeck.

Mela Eckenfels (@Felicea): Denn seine Position wird anscheinend sehr oft als die neutrale Position empfunden, während Positionen wie die von Viola Priesemann als 'extrem' empfunden werden. Meinem Eindruck nach, ist das auch, wie Streeck sich selbst zu verkaufen versucht.

Mela Eckenfels (@Felicea): Als neutrale, wissenschaftliche Instanz. Allerdings ist er anything but.

Erst mal vielleicht die weniger wissenschafts-theoretischen Aspekte von "Neutralität": 

Wir haben unsere Gesellschaft unsere Kultur eingerichtet, dass wir Extreme verachten und Kompromisse schätzen.

Mela Eckenfels (@Felicea): Besonders in der Politik. Statt Heiß und Kalt ziehen wir das Lauwarme vor. Der Unsicherheit ziehen wir die Balance, die Stabilität vor. 

Das ist nicht prinzipiell schlecht.

Es ist auch nicht prinzipiell gut. 

Aber in der Legende der westlichen Kulturen wird exakt das behauptet.

Mela Eckenfels (@Felicea): Ausgleich und Kompromisse über alles. Die Mitte ist immer gut. Extreme sind immer schlecht. Kompromisse sind das Ziel. 

Das bedeutet aber auch: Stasis, selbst wenn rasches und konsequentes Handeln notwendig wäre.

Kompromisse, selbst, wenn diese für alle Beteiligten schlecht sind.

Mela Eckenfels (@Felicea): "Mitte", Ausgewogenheit, Kompromisse sind als Selbstzweck von dem eigentlichen Ziel, eine sichere, zuverlässige und gerechte Kultur zu schaffen, die Blüte, Wachstum und Zufriedenheit ermöglicht, völlig entkoppelt. Sie werden zur Gefahr der Kultur, die sie schaffen sollen.

Mela Eckenfels (@Felicea): Auch politisch müsste abgewogen werden, wann Kompromisse der beste Weg sind, wann Ausgewogenheit angestrebt werden muss und wann beides nicht sein darf.

Mela Eckenfels (@Felicea): Aber "Kompromisse" sind derartig zum Mantra der Politik geworden, dass Politiker gar nicht mehr außerhalb dieses Musters denken können. 

Das hat sich über die Jahrzehnte so extrem verstärkt, dass die heutige Politik absolut unfähig ist, sich den Problemen der Zukunft zu stellen.

Mela Eckenfels (@Felicea): Kompromisse um jeden Preis, statt zu versuchen, den besten Weg für die Gesellschaft zu finden, mit einem Problem umzugehen, waren führten u.a. auch zur Piratenpartei, die zumindest zeitweise versuchte, Politik wieder sach- und evidenzbasiert zu gestalten.

Mela Eckenfels (@Felicea): Jedenfalls führt dieses Dogma dazu, dass Ansätze mit der Pandemie umzugehen, die alles andere als neutral sind, weil sie sich nämlich weder um die Evidenz scheren, noch darum, was wirklich das beste Ergebnis für alle wäre, als neutral wahrgenommen werden.

Mela Eckenfels (@Felicea): Und Ansätze zu vertreten, die auf der Evidenz basieren, die wir haben und die wir aus Erfahrungen früherer Pandemien ziehen, die ein konsequentes Vorgehen verlangen, wird als extrem wahrgenommen.

Mela Eckenfels (@Felicea): Dabei sind sie es, die quasi am "neutralsten" enstanden sind, weil sie nicht willkürlich Erkenntnisse ignorieren. 

Manchmal ist konsequentes Handeln nötig, aber der Politik und auch der Gesellschaft ist durch das Kompromiss-Mantra das Gefühl verloren gegangen, wann.

Mela Eckenfels (@Felicea): Niemand würde den Feuerwehrmeister, der einen brennenden Bahnhof löscht, bis keine sichtbaren Flammen mehr zu sehen sind und ihn dann sofort freigibt, damit der Verkehr nicht zu lange behindert wird, als "neutral handelnd" empfinden.

Mela Eckenfels (@Felicea): Genau dieses Vorgehen wird aber in der Pandemie als "neutrale Position" gehandelt. 

Löschen, bis die Fallzahlen sinken, freigeben. Huch sagen, löschen, bis die Fallzahlen sinken, freigeben. 

Das ist nicht neutral. Das ist eine Katastrophe mit Ansage.

Mela Eckenfels (@Felicea): Was wir auch und gerade wissenschaftlich als "Neutralität" sehen, ist ebenfalls genau das nicht. 

Sehr lange Zeit war das, was man wissenschaftlich als neutral empfand, das, was _normal_ war.

Mela Eckenfels (@Felicea): Und das bedeutet eben: der Zustand der westlichen Kulturen und ihrer Abbildung in akademischen Welt.

So galt der Gedanke, dass alle Menschen gleich sind, durchaus als radikal. Kürzlich postete jemand etwas über eine historische wissenschaftliche Debatte, ob Frauen Menschen seien.

Mela Eckenfels (@Felicea): (Habs leider gerade nicht wiedergefunden,  Link gerne in die Kommentare.)

Was wissenschaftlich als Neutralität empfunden wird, ist ebenso abhängig von der Kultur, in der wir leben und ihren Veränderungen, wie alles andere das wir als "naturgegeben" empfinden.

Mela Eckenfels (@Felicea): Irgendwann kam man dann auch auf den Trichter, dass Emotionen, Empathie nicht neutral sind, deswegen muss Wissenschaft möglichst emotionsfrei sein. 

Aber: kann etwas neutral sein, das einen wichtigen Teil der menschlichen Erfahrung ausgrenzt, ablehnt und abwertet?

Mela Eckenfels (@Felicea): Dann wurden Daten als neutral gesehen und, in einer gewissen Weise sind sie das auch. Allerdings sind weder die Fragen, auf deren Basis die Daten erhoben werden neutral noch kann die Auswertung der Daten je neutral sein.

Mela Eckenfels (@Felicea): Aber, kulturell sehen wir sie immer noch als Goldstandard der neutralen Wissenschaft. (Und dem würde ich nicht mal widersprechen wollen. Wenn gewisse Grenzen eingehalten werden, hohe Standards gesetzt und kontrolliert werden und man sich immer wieder hinterfragt.)

Mela Eckenfels (@Felicea): Nur genau da ist der Knackpunkt und genau da sieht man in der Wissenschaft oft noch Nachholbedarf. 

Kann ich natürlich hingehen und den IQ von weißen Menschen und schwarzen Menschen messen und vergleichen. Aber die dabei gewonnenen Daten sind nicht neutral.

Mela Eckenfels (@Felicea): Die Grundannahme, dass es einen Unterschied geben könnte ist nicht neutral. Auch der Versuch des Beweises, das kein Unterschied vorliegt, ist nicht neutral. 

Das eine versucht destruktiv-wissenschaftlich die Dominanz der weißen Rasse zu begründen.

Mela Eckenfels (@Felicea): Das Zweite versucht dem Ersten mit den Methoden der Wissenschaft aufs Maul zu geben. 

Die gesamte Idee, dass der Phänotyp einen Unterschied bei der akademischen Leistungsfähigkeit innerhalb der Spezies Homo Sapiens Sapiens macht, ist nicht neutral.

Mela Eckenfels (@Felicea): Ebenso ist das Lieblingsthema eines Teils der "rational Denken"-Subgruppe, die Frage, ob Menschen mit Behinderungen ein Lebensrecht haben und falls ja, ab wann, niemals neutral.

Mela Eckenfels (@Felicea): Sehr gut erkennt man Scheinneutralität daran, wenn man sich ansieht, welche Art der Wissenschaft auf einmal nicht mehr neutral wäre. 

Eine Diskussion über das Lebensrecht von Männern, würde kaum von irgendjemandem als neutral empfunden werden.

Mela Eckenfels (@Felicea): Dennoch haben wir, auch durch die massiven wissenschaftlichen Revolutionen des 20. Jahrhunderts gelernt, auf Daten zu vertrauen und Daten für etwas Zuverlässiges, Richtungweisendes zu halten.

Mela Eckenfels (@Felicea): Und das lässt uns, denke ich, oft übersehen, dass Daten nicht immer sinnvoll sind.

In der IT gibt es die Aussage: wer mißt mißt Mist. 

Damit wird das Problem geschrieben, dass uns Computer eigentlich über jeden Aspekt ihrer Arbeit Auskunft geben können.

Mela Eckenfels (@Felicea): Man kann die Prozessorlast protokollieren, Speicherverbrauch, Auslastung einzelner Interfaces, Lüfterdrehzahl, Temperatur. Aber auch die Interaktion mit der Außenwelt. Benutzerverhalten, Suchbegriffe, Ort des Zugriffs.

Mela Eckenfels (@Felicea): Aber wenn man nicht im Vorfeld weiß, was man mit den Daten tun möchte, sind sie wertlos. (Been there. Done that.)

Man braucht erst eine Vorstellung davon, was man wissen will. Dann eine Vorstellung, welche Daten helfen, das Wissen zu erlangen.

Mela Eckenfels (@Felicea): Dann eine Vorstellung davon, wie man diese Daten auswerten will und wiederum eine Vorstellung davon, wie und mit welchen statistischen Mitteln, man das Ergebnis interpretiert. 

Das sind ziemlich viele Schritte, um das Endergebnis zu versauen. ;)

Mela Eckenfels (@Felicea): Aber was ich eigentlich sagen will: Mehr Daten helfen nicht, mehr zu verstehen.

Mela Eckenfels (@Felicea): Genau dieser Punkt macht die Idee, doch mal zwei Schulen in Bezug auf die Beteiligung am Infektionsgeschehen zu erforschen, so ärgerlich.

Wir brauchen diese Daten nicht.

Mela Eckenfels (@Felicea): Wir haben grundlegendes ärztliches Wissen: Kinder sind bei Atemwegsinfektionskrankheiten immer auch Überträger. 

Das eine geringe Beteiligung von Kindern und Schulen am Infektionsgeschehen überhaupt angenommen werden konnte, lag daran, dass Schulen früh geschlossen wurden.

Mela Eckenfels (@Felicea): Sie fielen als Infektionsvektoren temporär aus. Das ist etwas anderes, als "sie sind kein Faktor". Dennoch wird diese (teils ideologische) Fehlinterpretation weiterhin als 'neutrale Evidenz' gewertet.

Mela Eckenfels (@Felicea): Wir haben Daten von Schulausbrüchen. Wir haben Daten der Krankenstände von Erziehern und Lehrern. Wir haben den Vergleich zwischen Phasen der Schulöffnung und Phasen der Schulschließungen. Wir haben Daten aus dem Ausland.

Mela Eckenfels (@Felicea): Alle zusammen sagen: Ja, Schulen sind Pandemietreiber. 

Eine Studie, wie exakt Schulen nun Pandemietreiber sind, würde keinen signifikanten Wissensgewinn bringen, bei hohen Risiken für die Schüler und Lehrer. 

Demnach kann diese Forderung auch nicht neutral sein.

Mela Eckenfels (@Felicea): Aber die Schein-Neutralität soll helfen, das Dogma des Ausgleichs, des Kompromisses zu stützen.

Mela Eckenfels (@Felicea): Den Glauben, dass man mit nur genug Daten, die Pandemie so feinkörnig beherrschen kann, um genau das richtige Maß an Öffnung und Eindämmung zu finden, mit dem man durch den Rest der Pandemie kommt.

Mela Eckenfels (@Felicea): Die Pandemie als beherrschbare Naturgewalt, mit der man eben doch einen Kompromiss finden kann. Zwischen akzeptablen Verlusten und dabei maximaler Freiheit.

Mela Eckenfels (@Felicea): Dass die so gewonnenen Daten auch noch nur für den Teilbereich der Pandemie aussagekräftig wären und vermutlich nicht mal für zukünftige Pandemien nutzbar, weil andere Bedingungen das gleiche feinkörnige Management unmöglich machen würden ... es wird ignoriert.

Mela Eckenfels (@Felicea): Sobald die Mutanten ins Spiel kommen, wäre die Strategie spätestens hinfällig. Mit jeder neuen Mutation würde man sich weiter vom Nutzen der erhobenen Daten entfernen.

Mela Eckenfels (@Felicea): Zu forschen, Daten zu erheben, nur weil man kann, war noch nie eine wirklich gute Idee. Grenzenlose Wissenschaft führt nicht zu besserer Wissenschaft, nur zu mehr nutzlosen Daten.

Mela Eckenfels (@Felicea): Das Nazi-Deutschland, trotz intensiver "Forschung" in einigen Bereichen nicht zum leuchtenden Stern der Wissenschaft wurde - mal vielleicht abgesehen von der Raketentechnologie - hängt auch damit zusammen.

Mela Eckenfels (@Felicea): Menschen, die ohne Ziel und Verstand forschen, weil sie können, ohne Rücksicht auf Verluste und mit einem hohen Maß an Grausamkeit ... 

Die einzig wirklich solide Erkenntnis, die dabei entstanden ist, ist die, zu was Menschen fähig sind.

(Eugen Kogon hat darüber ein Buch geschrieben. ms.)

Mela Eckenfels (@Felicea): Aber zurück in die Gegenwart. 

Auch der Spin, dass die aktuelle Situation auf den Intensivstationen ein eigentlich positiver "Stresstest" sei, aus dem man viel lernen könne, zeigt ein fragwürdiges, nicht neutrales Verständnis von Wissenschaft.

Mela Eckenfels (@Felicea): Der aktuelle "Stresstest" kostet täglich Menschen das Leben. Er verbrennt das Personal. Er lässt keinen Raum für die Dokumentation oder Reflexion, um anschließend wirklich hilfreiche Lehren ziehen zu können.

Mela Eckenfels (@Felicea): Er führt zu einem Brain-Drain, einem Abfließen von Personal und Know How, die selbst die wenigen gewonnenen Erkenntnisse versickern lassen dürfte, weil nicht genug Leute da sind, sie umzusetzen.

Mela Eckenfels (@Felicea): Um den langen Thread langsam abzuschließen: 

Es wäre gut, genau hinzuschauen, wenn etwas als neutrale Position verkauft werden soll, ob sie das auch wirklich ist. 

Das beste Mittel dagegen, Ideologie als Wissenschaft zu verkaufen, ist ständige Selbstreflexion.

Mela Eckenfels (@Felicea): Das bedingt einen offenen Umgang mit den eigenen Vorurteilen, den eigenen Überzeugungen.

Strahlt die Persona eines Wissenschaftlers nur "Neutralität" aus und lässt den offenen Umgang mit den eigenen Biases vermissen, ist die Person meist exakt nicht neutral.

Mela Eckenfels (@Felicea): Sondern es handelt sich dann um eine Scheinneutralität, die lediglich andere Positionen, die in Wirklichkeit neutraler, weil näher an der Evidenz sind, als 'hysterisch' oder 'unsachlich' framed.

Mela Eckenfels (@Felicea): Der Ruf nach mehr Daten, wenn tatsächlich bereits genug Daten vorliegen, um einen Aspekt eines Problems zu verstehen, ist nicht neutral. Der Wissensgewinn wäre nur ein Anschein. Tatsächlich handelt es sich um eine Verzögerungstaktik.

Mela Eckenfels (@Felicea): Beispiele dafür findet man, nicht nur in der derzeitigen Situation, sondern z.B. auch beim Klimawandel beschrieben.

Aber auch hier wird scheinbar sachlich argumentiert. Die Forderung nach mehr Daten klingt besser als "ich will das so nicht", aber eigentlich ist genau das damit gemeint.

Mela Eckenfels (@Felicea): Und als Schlußwort:

Wissenschaft wird besser, wenn sie sich selbst beschränkt. 

Grenzenlose Wissenschaft führt nicht zu grenzenlosem Wissensgewinn, sondern zu grenzenlosen Schrott-Daten.


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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1647499 2021-01-31T10:02:12Z 2021-01-31T10:02:13Z Liebe Journalist*innen, warum kriegt der noch ein Mikro? Warum? Ein Grund reicht! Los!

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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1647497 2021-01-31T09:37:13Z 2021-01-31T09:37:13Z Steht das Schlimmste noch bevor? Erste Corona-Tote in Wuhan aufgewacht

Wuhan (dpo) - Kommt jetzt alles noch viel schlimmer? Bislang galt das Coronavirus in China als so gut wie besiegt. Doch nun mehren sich Berichte, denen zufolge in der Region Wuhan an Corona verstorbene Menschen teils Monate nach ihrem Tod plötzlich wieder aufwachen. Dabei haben die Wiederauferstandenen zum Erstaunen von Experten einen außerordentlichen Appetit auf menschliche Gehirne.

„Was war das für ein Geräusch?“, fragt Liu Xi aus Wuhan in einem inzwischen viral gegangenen Handyvideo. Der 32-Jährige arbeitete als Nachtwächter in einem örtlichen Leichenschauhaus. „Es kam aus dieser Schublade… Mal sehen… Ahh! Aaaah! Aaaaah! Verdammt! Neiiii…“

Bevor das Video abreißt, kann man für den Bruchteil einer Sekunde sehen, was der Nachtwächer sah: einen zum Teil verwesten Menschen mit rot leuchtenden Augen, der auf Liu zustürmt.

Fragt man bei den chinesischen Behörden, was es mit dem Video auf sicht hat, wiegeln diese sofort ab. Es handle sich um einen Scherz. Überhaupt habe man die Situation komplett unter Kontrolle.

Doch auf Social-Media-Kanälen tauchen immer mehr Videos dieser Art auf. Schneller als die chinesischen Zensurbehörden löschen können. Zudem bestätigen Satellitenaufnahmen, dass das Militär eine Sperre rings um Wuhan errichtet hat. Die Aufnahmen zeigen, dass inzwischen an vielen Stellen der aufs Neue abgeriegelten Millionenmetropole Rauch aufsteigt. 

In anderen Landesteilen Chinas reagiert die Bevölkerung mit Hamsterkäufen. Schrotflinten, Schrotmunition, Baseballschläger und DVDs des Films „Dawn of the Dead“ sind vielerorts ausverkauft.

In Deutschland geht man mit den Nachrichten aus China gelassen um. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte, man beobachte die Lage, sehe allerdings zum jetzigen Zeitpunkt keinen Handlungsbedarf. Das Robert-Koch-Institut stufte das Risiko für Deutsche als „gering“  ein.

ibe, ssi, dan; Foto: Shutterstock; Erstveröffentlichung: 7.5.20

https://www.der-postillon.com/2020/05/wuhan-corona.html

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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1647190 2021-01-30T17:31:21Z 2021-01-30T17:31:21Z Corona-Rant

'The masked Doctor' (@RainerRoever): Ich glaube, es ist es Zeit, für einen kleinen Rant:

Gestern 25 Infizierte mit #Virusmutation in Kita in #Freiburg.

Heute mutiertes Virus in vier Kitas in #Köln.

Zeitgleich lese ich diesen Fall einer 56-jährigen Mutter eines #Grundschüler|s:

1/n 

'The masked Doctor' (@RainerRoever): Wir reden uns seit Monaten den Mund fusselig über die Infektionsgefahr, die von Kitas und Schulen ausgeht.

Ich habe das vor ein paar Wochen in einem Thread/Artikel zusammengefasst und mit diversen hochwertigen Studien belegt:

https://publikum.net/welche-rolle-spielen-kinder-schulen-in-der-pandemie/

2/n

'The masked Doctor' (@RainerRoever): Jeder, der nur ein kleines bisschen Ahnung von Kindern hat, weiß dass sie selbstverständlich wichtige Überträger von Atemwegsinfekten sind.

Nur völlig verblendete, verbohrte Ideologen konnten je etwas anderes glauben.

3/n

'The masked Doctor' (@RainerRoever): Kinder in Kita und Schule haben haufenweise Sozialkontakte. Sie sind Bindeglied zwischen allen Generationen und Risikogruppen.

Gleichzeitig sind sie aber seltener symptomatisch (obwohl infiziert) und schwieriger zu diagnostizieren (obwohl infektiös) als Erwachsene.

4/n

'The masked Doctor' (@RainerRoever): Können wir uns jetzt also BITTE!!! darauf einigen, dass die schnellstmögliche Rückkehr zum Präsenzunterricht KEINE!!! Priorität hat?

Dass es wahrscheinlich 100x mehr Sinn macht, Friseursalons zu öffnen, als Grundschulen?

(Sogar die Öffnung für Telefondesinfizierer scheint mir sinnvoller. ms)

5/n

'The masked Doctor' (@RainerRoever): Und können wir uns BITTE!!! darauf einigen, dass #Risikogruppen nicht nur im #Heim leben?

Und dass es selbst dann nicht möglich wäre, diese in der #Hochinzidenz vollständig vor dem Infektionsgeschehen abzuschirmen?

6/n

'The masked Doctor' (@RainerRoever): Vor kurzem hat jemand einen schönen Vergleich dazu gemacht:

"Ein Stück Butter bleibt im Kühlschrank auch nicht hart, wenn der Kühlschrank in einem brennenden Haus steht."

Deshalb kann ein Altenheim mitten im #Hotspot auch kein sicherer Ort sein.

7/n

'The masked Doctor' (@RainerRoever): Wer es noch immer nicht begriffen hat: Wir stehen GENAU JETZT am #Scheideweg dieser #Pandemie:

Wir können durch #NoCovid und #GreenZone die Kontrolle (und dadurch Freiheiten) zurückgewinnen, und durch parallele #Massenimpfung das Virus bis zum Herbst besiegen, oder...

8/n

'The masked Doctor' (@RainerRoever): ...durch Kontrollverlust die Entstehung weiterer #Mutationen fördern, die im schlimmsten Fall gegen die Impfung "resistent" sind, und in eine dritte Welle laufen, die das System endgültig kollabieren lassen wird.

9/n

'The masked Doctor' (@RainerRoever): Ja, ich habe auch keinen Bock mehr auf Pandemie, Leute.

Ja, ich habe auch Kinder. 4 Stück. Von der Grundschülerin bis zum Zivi im Altenheim ist alles dabei.

Ja, ich habe meine Eltern auch seit einem Jahr nicht mehr gesehen.

10/n

'The masked Doctor' (@RainerRoever): Ja, ich habe auch Patienten, die unter den wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns leiden. Die #Existenzängste haben. Die psychisch krank werden.

Aber wir haben doch keine Alternative, verdammt.

Bereits die aktuelle zweite Welle hat unser Gesundheitssystem doch schon...

11/n

'The masked Doctor' (@RainerRoever): ...an die Grenze der Belastbarkeit gebracht.

Welches Pflegepersonal soll den Karren in der 3. Welle denn noch aus dem Dreck ziehen?

In welcher Realität lebt jemand, der deren Überlastung noch immer nicht sieht?

Lasst uns verdammt nochmal jetzt die Zähne zusammen beissen.

12/n

'The masked Doctor' (@RainerRoever): Lasst uns die ganzen Streecks, Bhakdis, Humbugs, Schiffmanns, Hildmanns, Wendlers und sonstige Pfeifen und ihren Mist ignorieren.

Und dann: Augen zu und durch.

Oder - mit den Worten einer Frau, die ich bis zur Pandemie überhaupt nicht leiden konnte:

Wir schaffen das!

13/13

'The masked Doctor' (@RainerRoever): Nachtrag:

Mit #Johnson & Johnson steht ein  weiterer (Vektor-)Impfstoff kurz vor der Zulassung. In den nächsten Wochen wird evtl. #Novavax folgen. Ggfs. #CureVac bis zum Sommer. Alle 3 können beim niedergelassenen Arzt geimpft werden.

'The masked Doctor' (@RainerRoever): Mit evtl. #Colchicin und den monoklonalen #Antikörpern gibt es vielversprechende Ansätze für die Therapie.

Wir sind so kurz davor, diesem Virus in den Arsch zu treten - lasst uns die paar Wochen doch jetzt noch die Zähne zusammen beissen!


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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1646685 2021-01-29T16:33:50Z 2021-01-29T16:33:50Z NRZ heute: Faschistisches Milieu ]]> Matthias Seifert tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1646190 2021-01-28T16:40:47Z 2021-01-28T16:40:47Z „Wann sind wir denn da?“ MaiLab: „Noch lange nicht,“

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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1645784 2021-01-27T17:51:51Z 2021-01-28T09:27:09Z Damit alle Dokumente beim Empfang so aussehen, wie sie beim Versand abgeschickt wurden: PDF.

Vielen Dank, Apple, dass das (jetzt) so einfach ist.

1. macOS

Wer auf einem Mac aus Irgendetwas ein PDF machen wollte, hatte es „schon immer“ leicht: Im Druckdialog gibt es die Schaltfläche „drucken“ und die Schaltfläche „als PDF speichern“.

2. iOS 14.4

Auch auf dem iPhone oder dem iPad kann alles, was man auf dem Bildschirm sieht, auch als PDF gespeichert werden.  

Einfach ein Bildschirmfoto machen (zwei der drei Tasten des Geräts gleichzeitig drücken) und in der Foto App dieses Bild oder mehrere Bilder auswählen

Danach auf die Schaltfläche Teilen (Quadrat mit Pfeil nach oben) drücken, dann „Drucken“ auswählen.

Im Druckdialog erscheint ein kleines Vorschaubild. Wenn man dieses durch Spreizen von Daumen und Zeigefinger vergrößert, wird es zum PDF konvertiert. Das Speichern als PDF wird angeboten (Schaltfläche Teilen).

PS:

Danke für die Information an das Gymnasium Walldorf


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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1642979 2021-01-21T08:49:41Z 2021-01-21T17:41:23Z Zwei kurze Fragen

1. Stimmt das?

2. Und Biden?

Nachtrag:

Zu 1)

T. Hat in den ersten beiden Jahren doppelt so viele Drohneneinsätze angeordnet wie sein Vorgänger in 8 Jahren. (Wikipedia)

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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1642762 2021-01-20T20:40:03Z 2021-01-20T20:40:04Z Ghostbusters

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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1642575 2021-01-20T12:45:34Z 2021-01-20T12:49:21Z Risikogruppen als Sündenböcke und Laschet

Mela Eckenfels (@Felicea): Liebe CDU-Mitglieder, wir müssen reden.

Zuerst, ihr habt Friedrich Merz nicht zum Vorsitzenden gewählt. Das ist gut. 

Allerdings hat sich das Gefühl der Erleichterung dann doch recht schnell verflüchtigt, als mir klar wurde, wen ihr statt dessen gewählt habt:

Mela Eckenfels (@Felicea): Nämlich Armin Laschet. Der Armin Laschet, der den beinahe historischen Schritt gegangen ist, Behindertenpolitik tatsächlich zum Wahlkampfthema zu machen. 

Nur eben leider nicht, in dem er auf Behindertenverbände zugegangen ist und die UNBRK in NRW endlich konsequent umsetzt.

Mela Eckenfels (@Felicea): Sondern, in dem er die _Abschaffung_ von Inklusion zum Wahlkampfthema machte, um damit Stimmen von Bildungsbürgern zu fangen, die nicht wollen, dass ihr Kind in der Schule neben einem behinderten Kind sitzt.

Mela Eckenfels (@Felicea): Und die Stimmen von Lehrern, die keine behinderten Kinder im Unterricht wollen, denn 'sonst hätten sie  ja Sonderpädagogik studiert'. 

Die CDU hat in NRW, zusammen mit der FDP, Wahlkampf für den _Abbau_ von Menschenrechten geführt.

Mela Eckenfels (@Felicea): Da könnt ihr jetzt natürlich sagen, Behindertenpolitik ist nun nicht wirklich so euer Fokus, wenn es um die Parteiführung und die Bundespolitik geht.

Und ich muss sagen: Das sollte aber euer Fokus sein.

Mela Eckenfels (@Felicea): Denn die Behindertenpolitik ist richtungsweisend, wo eine Partei steht. Wie es um ihre Ethik, ihre Moral, ihr Gewissen bestellt ist. 

Wie es darum bestellt ist, sehen wir in NRW und von NRW ausgehend gerade täglich.

Mela Eckenfels (@Felicea): Natürlich wird Laschet seine Berater, seine Vertrauten auch mit in die Bundespolitik bringen und natürlich sagt die Wahl dieser Berater und Vertrauten viel darüber aus, wo Laschet steht. Wo sein ethischer Kompass hinweist.

Mela Eckenfels (@Felicea): Dieser Kompass steht sehr deutlich auf Sozialdarwinismus. 

Es ist NRW, es ist Laschets Berater Streeck, der gerade täglich das Märchen vom "Risikogruppen schützen" herunterbetet und damit meint, dass man die Kasernen in denen Risikogruppen untergebracht sind, abschottet.

Mela Eckenfels (@Felicea): Und das ist weit, weit mehr als nur eine Abwiegelungstaktik um Maßnahmen ausweichen zu können, die erst mal die Wirtschaft weiter einschränken würden. 

Dieser Kniff, zeichnet 'Risikogruppen' nämlich seit Anbeginn der Pandemie, als Gruppe, die nicht wirklich dazu gehört.

Mela Eckenfels (@Felicea): Er macht Risikogruppen auch zu Sündenböcken. Denn er impliziert, dass all die Maßnahmen im Moment nur deswegen nötig sind, damit die Risikogruppen nicht sterben. Er impliziert die unzutreffende Annahme, es sei normales Leben möglich, wären da nicht diese Risikogruppen.

Mela Eckenfels (@Felicea): Das Menschen mit Behinderungen (und in diesem Fall auch Menschen mit chronischen Erkrankungen und alte Menschen) zu Sündenböcken gemacht werden, ist nicht neu aber es ist immer ein Warnsignal. 

Literaturtipp: Scapegoat: Why We Are Failing Disabled People 

https://amzn.to/2LOe29Y

Mela Eckenfels (@Felicea): Es gibt eigentlich kaum eine schlimmere Form des Otherings. "Die" gehören nicht dazu. Schlimmer noch: "Die" halten uns 'Normale' zurück. "Die" belasten unsere Gesellschaft. 

Das Narrativ "Die halten uns Normale zurück" sah man im Anti-Inklusions-Wahlkampf.

Mela Eckenfels (@Felicea): Bei dem natürlich die alten und unzutreffenden Legenden wiedergekäut wurden, dass es auf Kosten der nichtbehinderten Kinder geht, wenn sie mit behinderten Kindern zusammen lernen. (Spoiler: tut es nicht.)

Mela Eckenfels (@Felicea): Diese Narrative haben bereits öfter in der Geschichte völlig ausgereicht um Übergriffe auf und Pogrome an behinderten Menschen auszulösen. 

Das sind keine unschuldigen politisch-rhetorischen Tricks. 

Das ist Benzin versetzt mit Waschpulver.

Mela Eckenfels (@Felicea): Wenn eine Gruppe nicht zur Gesellschaft gehört, dann ist es in Ordnung, wenn sie ausgesondert wird. Auch von vor allem zu "ihrem Besten". Nichts anderes sagt "Risikogruppen schützen" aus.

Mela Eckenfels (@Felicea): Und genau das ist, was Menschen mit Behinderungen meinen, wenn sie von der Schonraumfalle reden. 

Denn diese Narrative existieren ja auch außerhalb der Pandemie.

Mela Eckenfels (@Felicea): Man sieht es auch daran, dass für Laschet, für Streeck, für alle anderen "Risikogruppen schützen"-Sager, Risikogruppen außerhalb von Einrichtungen gar nicht existieren. 

Das ist ein "selbst schuld"-Narrativ über die Bande.

Mela Eckenfels (@Felicea): Selbst schuld, wenn ihr nicht dort lebt, wo wir euch schützen können. Wenn ihr euch in Gefahr begebt, müsst ihr auch mit der Gefahr leben. 

Damit bleibt im Prinzip die Wahl: sich ausgrenzen lassen oder auf Unterstützung verzichten. Beides grenzt aus. Isoliert.

Mela Eckenfels (@Felicea): Um es abzuschließen: 

Unter Laschet gehören Menschen mit Behinderungen nicht dazu. Sie sind eine Last. Man lässt sie natürlich nicht einfach verrecken, das wäre ja unmenschlich, aber man schränkt den Teil, in dem sie sich bewegen dürfen, soweit ein, wie es der Gesellschaft dient.

Mela Eckenfels (@Felicea): Wer nicht dem Ideal entspricht, nicht gesund, 'able bodied' und wahrscheinlich weiß, hetero und männlich ist, muss sich mit dem begnügen, das die Gesellschaft bereit ist zu geben. Mit Almosen.

Ist das, wir ihr euch die Gesellschaft vorstellt, liebe CDU-Mitglieder?

Mela Eckenfels (@Felicea): Eine Gesellschaft, die eine Gruppe ausschließt, wird morgen andere Gruppen ausschließen.

Eine Gesellschaft, die eine Gruppe zurücklässt, wird morgen andere Gruppen zurücklassen.

In diesem Sinne: Dieses Jahr ist ja Wahl. #CripTheVote

Mela Eckenfels (@Felicea): And so it begins: 

Mela Eckenfels (@Felicea): Was ich mit dem Hinweise auf den ethischen Kompass meine. Wem Menschen mit Behinderungen egal sind, dem sind auch sonst Menschen weitgehend egal:

Mela Eckenfels (@Felicea): 



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Matthias Seifert
tag:matthiasseifert.posthaven.com,2013:Post/1642170 2021-01-19T14:53:09Z 2021-01-19T14:53:09Z Der uninformierte Gesundheitsminister, was macht er eigentlich beruflich?

Cornelius Roemer | worried about #b117 (@CorneliusRoemer): Ganz schöner Schnitzer für einen Gesundheitsminister:

Spahn behauptet fälschlicherweise, dass alle Nachweise der englischen #B117 Variante in D Reisezusammenhang haben. Das stimmt nicht. Solingen vor einer Woche (keine Quelle auffindbar). Leverkusen Altenheim heute. Thread 1/

https://twitter.com/CorneliusRoemer/status/1351299862197899268/video/1

Cornelius Roemer | worried about #b117 (@CorneliusRoemer): Es wäre schön, wenn wir alle Eintragungen erfolgreich bei Einreise gefunden hätten - das scheint Spahn sagen zu wollen: bisher alles unter Kontrolle.

Falsch. Wir haben leider fast nur bei Reisenden gesucht. Oder wie Trump sagt: If you don't sequence, you don't have variants... 2/

Cornelius Roemer | worried about #b117 (@CorneliusRoemer): Erster Fall ohne identifizierbare Quelle war vor einer Woche in Solingen. Das hätte Spahn durchaus erreichen können in der Zeit. Anscheinend leider nicht. 3/

Cornelius Roemer | worried about #b117 (@CorneliusRoemer): Heute dann Bericht über Riesenausbruch in Leverkusener Seniorenheim (Solingen ist nur 20min von Lev entfernt!). Damit sich 45 Leute anstecken, muss das schon Wochen dort zirkulieren. Das passt überhaupt nicht zu dem was Spahn bei PK sagt: nur Reisende. 4/

Cornelius Roemer | worried about #b117 (@CorneliusRoemer): Übrigens unterschlägt Spahn zwei weitere Fälle von #B117, die nicht im direkten Zusammenhang mit England stehen.

Vor 3 Wochen gab es Bericht über Berufsreisenden der sich in Tschechien angesteckt haben soll. Tschechien ist ziemlich weit weg von England. 5/

https://www.aachener-zeitung.de/nrw-region/coronavirus-mutation-in-nrw-nachgewiesen_aid-55429235

Cornelius Roemer | worried about #b117 (@CorneliusRoemer): Gestern wurde von Spanien-Berufsreisender mit #B117 berichtet. Wiederum: Spanien ≠ England.

Zu Spanien und Tschechien und Portugal (mit massiven #B117 Problemen) sind die Grenzen übrigens weiterhin offen. Spahn weiß ja von nichts. 6/

https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/coronavirus/Corona-Mutationen-in-SH-Berliner-Charite-bestaetigt-Verdacht,coronamutation104.html

Cornelius Roemer | worried about #b117 (@CorneliusRoemer): Unglaublich, dass @Sven9161 und ich in ein paar Stunden einen besseren Überblick über die #B117-Situation geschaffen haben als Spahn mit einem ganzen Ministerium. Das ist peinlich. Vielleicht sollte mal jemand im @BMG_Bund unsere Tabelle teilen. 7/

https://docs.google.com/spreadsheets/d/1G-2TAslg1KOOlHayxVd8WMEia2wln02j_OerBHZjpnA/edit#gid=0

Cornelius Roemer | worried about #b117 (@CorneliusRoemer): Es ist mittlerweile völlig klar: #B117 ist in Deutschland, und verbreitet sich unkontrolliert. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir eine Situation wie in London haben. Außer wir bringen R jetzt runter auf 0,7. Dann haben wir eine Chance mit der Impfung davonzukommen. 8/


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Matthias Seifert