Stefan Mey 17.12.2014
Eugen Drewermann über die Ukraine-Krise, Pazifismus und die Diskussion um den "Friedenswinter"
Soll man hingehen oder nicht? Der Aufruf zu den bundesweiten "Friedenswinter"-Demo, ein Zusammenschluss der klassischen linken Friedensbewegung und der Montagsmahnwachen, hatte viele ratlos gemacht.
Die einen warnten vor einer rechten Unterwanderung einer linken Bewegung. Sie bemängelten eine wirkliche Abgrenzung nach rechts und sahen sich im Anschluss auch bestätigt. Die anderen sagten: wir alle wollen Frieden und fanden den sich auch auf der Demo bestätigt. Auch Telepolis-Autoren kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen (Pro: "Grüß Gott, Herr Gauck" und contra: Friedenscocktail aus Berlin)
Der katholische Kirchenrebell und Pazifist Eugen Drewermann hatte sich von den Diskussionen im Vorfeld nicht beirren lassen. Er war einer der Hauptredner auf der Berliner Ausgabe der Friedenswinter-Demo am Wochenende. Wortgewaltig hat er eine friedliche Lösung der Ukraine-Krise angemahnt, die Nato als Kriegsarmee kritisiert und vor der Kulisse des Bundespräsidialamts den Theologen Gauck als Kriegstreiber gegeißelt.
Auszug aus einem Interview:
„Wie sehen Sie die Rolle des Theologen-Kollegen und Realpolitikers Gauck?
Eugen Drewermann: Mir wird speiübel, wenn ein Ex-Pastor davon redet, dass wir eine größere Verantwortung wahrnehmen müssen, dass ihm nichts Besseres einfällt als zu sagen, die Deutschen seien nur noch nicht an den Gedanken gewöhnt, dass im Krieg auch Menschen sterben könnten. Wovon redet dieser Mann?
Wie glauben Sie, dass Gauck sein Handeln und Reden mit seinem theologischen Weltbild vereinbart?
Eugen Drewermann: Ich glaube, dass er Rechtfertigungsmuster hat, die ihn ruhig schlafen lassen. Seit dem Soziologen Max Weber gibt es die Vorstellung der geradezu schizophrenen Zweiteilung in eine Verantwortungs- und eine Gesinnungsethik. Der Pazifismus sei als Gesinnung für den Einzelnen natürlich eine schöne Haltung, aber für die Politik doch unverantwortlich. Und deshalb bedeute Verantwortung für Deutschland in der Welt die Bereitschaft, notfalls auch Kriege zu führen. Darauf, denke ich, wird sich Herr Gauck zurückziehen.
Ich halte diese Konstruktion für katastrophal. Wenn wir Gesinnung ständig so definieren, dass wir sie uns in der Realpolitik nicht leisten können, machen wir lauter Dinge, die unverantwortlich sind.“
Das komplette Interview bei Telepolis