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Die ZEIT: „Frauenrechte in der Türkei: Wie soll man seine Frau schlagen?“

Fulvio Spada from Torino, Italy • CC BY-SA 2.0

Islamisten kämpfen gegen die Emanzipation.

Auf dem Bildschirm ein Fernsehprediger. Er erläutert, wie eine Frau nach islamischen Regeln zu prügeln sei: "Schlag sie nicht oberhalb des Halses, nicht ins Gesicht, nicht auf die Brust, nicht ins Kreuz. Ball die Hand nicht zur Faust. Benutze keinen Knüppel länger als ein Lineal. Schlagen und Schimpfen sollen in den eigenen vier Wänden bleiben. Schmutzige Wäsche wäscht man zu Hause."

Can Dündar

ist Chefredakteur der Internetplattform Özgürüz. Er schreibt jetzt für uns wöchentlich über die Krise in der Türkei.

Dann kommt er auf das Motiv fürs Prügeln zu sprechen: "Unsere Religion erlaubt dem Mann das Schlagen nicht, damit er seine Frau misshandelt, sondern um Dampf abzulassen. Denn wenn ihm die Geduld reißt, fängt er an, selbst in Strommasten eine zweite Frau zu sehen. Die Frau sollte dankbar sein, wenn ihr Mann sie schlägt."

Bekanntlich halten sich die meisten Männer nicht an den Rat des Hodschas, mit Obacht zu prügeln. Allein im vergangenen Jahr kamen in der Türkei 409 Frauen durch Männergewalt ums Leben. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Anstieg um ein Viertel. Frauen werden mittlerweile meist von Ehemännern oder Partnern oder von Ex-Gatten und Ex-Partnern umgebracht. 332 Frauen wurden 2017 in der Türkei Opfer sexueller Gewalt. Diese Zahlen zeigen, dass, trotz des islamischen Mottos "Das Paradies liegt unter den Füßen der Mütter", für Frauen in der Türkei unter den Füßen der Männer inzwischen die Hölle liegt.

Als die türkische Republik Frauen das aktive und passive Wahlrecht gab, schrieb man das Jahr 1934, damals hatten Frauen nur in wenigen europäischen Staaten dieses Recht. In der Türkei auf dem Weg in die Moderne begannen Frauen, diskriminierend strenge religiöse Regeln zu überwinden, das Haus zu verlassen und im öffentlichen Leben, in Verwaltung, Regierung, Wissenschaft und Kunst eine Rolle zu spielen.

Der Kampf gegen den Laizismus in den letzten fünfzehn Jahren aber führte auch bei den Errungenschaften der Frauen zu massiven Erosionen. Mit dem Satz: "Frauen, die nicht Mütter werden, weil sie arbeiten, sind nur halbe Frauen", machte Staatspräsident Erdoğan seinen Standpunkt deutlich. Islamistische Politiker verweisen Frauen wieder zurück ins Haus, die sich für umfassende Gleichberechtigung einsetzen.

Derzeit dividiert man in der Türkei Frauen und Männer erneut auseinander, wie es im Osmanischen Reich gang und gäbe war. Die Presse zieren Annoncen von Hotels mit getrennten Stränden und Schwimmbecken für Frauen. Gefragt sind Restaurants, die separate Räume für Frauen vorhalten. In vier anatolischen Städten nahmen bereits Busse nur für Frauen den Betrieb auf.

Der Experte für das Schlagen der Ehefrau verkündete in einer anderen Predigt, es sei religiös unstatthaft, dass Frauen im Aufzug mit fremden Männern fahren. Ein Theologie-Professor forderte letzte Woche das Gesundheitsministerium auf, Männer und Frauen auf Intensivstationen zu trennen und Frauen von weiblichen, Männer von männlichen Ärzten behandeln zu lassen.

Der Kolumnist einer islamistischen Zeitung beklagte, im Sportdress von Eiskunstläuferinnen und Volleyballspielerinnen zeichneten sich die Körperlinien ab, was "mit unseren nationalen und sittlichen Werten unvereinbar" sei. In einer in den sozialen Medien verbreiteten Predigt hieß es: "Ab der Pubertät ihres Sohnes darf eine Mutter in seiner Gegenwart keine körperbetonte Kleidung tragen, das verführt ihn zur Wollust." Derselbe Prediger verkündete, Mädchen, die illegitime Beziehungen eingingen, sollte die Kehle durchgeschnitten werden, statt sie wie früher lebendig zu begraben.

Mit einer solchen Verteufelungskampagne sind Frauen konfrontiert, während sie andererseits gegen zunehmende Gewalt in der Familie, ständig steigende Fälle von Vergewaltigung, Verheiratung minderjähriger Mädchen und den herrschenden männlichen Despotismus kämpfen.

Als Frauen gegen all dies am Wochenende vor dem Frauentag am 8. März auf die Straße gingen, sahen sie sich Polizeigewalt ausgesetzt. Bei strömendem Regen wurden sie niedergeknüppelt, riefen aber unverdrossen weiter:

"Wir schweigen nicht. Wir haben keine Angst. Wir gehorchen nicht."

Aus dem Türkischen von Sabine Adatepe

Quelle: http://www.zeit.de/2018/11/frauenrechte-tuerkei-gewalt-sexuelle-opfer-emanzipation-can-duendar

Erdoğan: Freibrief für Lynchjustiz

Das Dekret trat am 24.12.2017 in Kraft und wurde am selben Tag im Amtsanzeiger veröffentlicht. Es kann während des aktuellen Ausnahmezustandes nicht vor dem Verfassungsgericht angefochten werden.

Erdogans Dekret Nr. 696 ...  im Wortlaut: "Ungeachtet dessen ob sie einen offiziellen Rang oder Amt innehaben, für alle Personen, die gegen Umsturzbestrebungen, wie z.B. den Putschversuch vom 15.07.2017 und terroristischen Bestrebungen oder jegliche Arten von Fortführung dieser Aktivitäten vorgehen, tritt der erste Paragraph in Kraft."

Paragraph 1 lautet: "Jeder der sich dazu entschließt gegen Umsturzbestrebungen, wie z.B. den Putschversuch vom 15.07.2017, terroristischen Bestrebungen oder jegliche Arten von Fortführung dieser Aktivitäten vorzugehen, (…) ist von rechtlichen, administrativen, finanziellen und strafrechtliche Verfolgungen ausgeschlossen."

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Big Brother Awards für DİTİB: Türkisch-islamische Union will klagen

Im 17. Jahr seiner Vergabe gibt sich die Jury des Big Brother Award ausnehmend politisch. Ein Preis geht unter anderem an DİTİB, weil Imame Menschen ausgespitzelt haben.

Datenschützer- und BürgerrechtlerInnen, die gemeinsam die Big Brother Awards vergeben, zeigen sich diesmal von ihrer politischen Seite und vergeben einen Preis an die türkisch-islamische Union DİTİB, wie vorab bekannt wurde. Die Preise werden an am heutigen Freitagabend verliehen. 16 Imane werden beschuldigt, für türkische Behörden und den türkischen Geheimdienst spioniert zu haben. DİTİB will juristisch gegen diese "Ehrung" vorgehen und hat eine Klage wegen übler Nachrede angekündigt.

Mit der Verleihung eines Big Brother Awards an DİTİB in der Kategorie Politik wird nach den Worten der Jury keine Datenkrake im engen Sinn ausgezeichnet, sondern ein Religionsverband, der "im Real Life" Menschen bespitzelte und damit Grund- und Menschenrechte verletzte. Anlass der Bespitzelungen durch Imane des DİTİB auf Veranlassung der vorgesetzten Religionsbehörde Diyanet waren Verdächtigungen, das Menschen Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen sein sollten, dessen "Bewegung" von der türkischen Regierung für den Putschversuch verantwortlich gemacht wird.

"Informationelle Grundrechte gelten nicht nur für Deutsche"

Konkret wurden nach Recherchen der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet im Dezember 2016 insgesamt 16 Imane genannt, die Spitzelberichte anfertigten, unter anderem über Lehrkräfte mit deutscher Staatsangehörigkeit. Während derzeit die Staatsanwaltschaft prüft, welchen Umfang die Spitzeleien hatten, hält der Islamverband selbst die Sache für bereinigt, nachdem zehn Imane auf Weisung von Diyanet in die Türkei zurückkehrten. Auch die finanzielle Unterstützung ist wieder angelaufen.

Die Argumentation des Verbandes, dass es sich hierbei um innere Angelegenheiten einer Religionsgemeinschaft handele, lässt die Jury nicht gelten: "Spionage verstößt gegen deutsches Strafrecht und ist keine 'interne Angelegenheit'. Informationelle Grundrechte gelten nicht nur für Deutsche, sondern für alle. Diese müssen sich in Deutschland angstfrei friedlich religiös und politisch betätigen können", heißt es in der Preisbegründung. Ob der DİTİB, wie angedroht, Klage wegen übler Nachrede (§186 StGB) einreicht, ist noch nicht klar. Seit dem Beginn der Verleihung dieses Negativpreises für Datenkraken hat es zwar Klageandrohungen gegeben, doch keine war erfolgreich. 

Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Big-Brother-Awards-fuer-D-T-B-Tuerkisch-islamische-Union-will-klagen-3703902.html?wt_mc=rss.ho.beitrag.atom