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Der Überfall auf den Antikriegstag

„Wer das Völkerrecht verteidigen will und wer die Menschenrechte durchsetzen will, der darf sich nicht einfach nur auf aus der Aktualität entsprungene politische Abwägungen stützen – und seien sie noch so moralisch begründet -, er muss auf die Institutionen des Völkerrechts und zur Einhaltung der Menschenrechte setzen und daraus sein Vorgehen legitimieren. Alles andere ist die Rückkehr zum Faustrecht.

Der Überfall auf Polen, wäre ein Gedenken wert gewesen, wie Kriege verhindert werden könnten. Stattdessen wurden Reden gehalten, mit denen Kriegs- und Waffeneinsätze legitimiert werden. Das nenne ich einen Überfall auf den Antikriegstag.“

Lesen bei den Nachdenkseiten

Gauck: „Auch zu Waffen greifen“ und Kommentar der Nachdenkseiten

Gauck: „Es gab früher eine gut begründete Zurückhaltung der Deutschen, international sich entsprechend der Größe oder der wirtschaftlichen Bedeutung Deutschlands einzulassen. Das kann ich verstehen! Aber heute ist Deutschland eine solide und verlässliche Demokratie und ein Rechtsstaat. Es steht an der Seite der Unterdrückten. Es kämpft für Menschenrechte. Und in diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen. So wie wir eine Polizei haben und nicht nur Richter und Lehrer, so brauchen wir international auch Kräfte, die Verbrecher oder Despoten, die gegen ihr eigenes Volk oder gegen ein anderes mörderisch vorgehen, zu stoppen. Und dann ist als letztes Mittel manchmal auch gemeinsam mit anderen eine Abwehr von Aggression erforderlich. Deshalb gehört letztlich als letztes Mittel auch dazu, den Einsatz militärischer Mittel nicht von vornherein zu verwerfen.“
Quelle: DLF

Anmerkung WL: Man fragt sich warum ein Bundespräsident, zumal noch bei einem Auslandsaufenthalt immer häufiger den Einsatz militärischer Mittel ins Gespräch bringt. Wann hat Gauck jemals zu irgendeinem Konflikt auch nur einen Gedanken zu einer friedlichen Lösung von Problemen in der Welt eingebracht. Es spielt nahezu so fahrlässig mit dem Gedanken von Militäreinsätzen wie einstmals Willem Zwo.

Man fühlt sich bei der Parallelsetzung von Polizei und Militär an ganz typische Fangfrage vor dem Ausschuss zur Prüfung der Gesinnung von Kriegsdienstverweigern erinnert. Auch da wurde immer die Gleichsetzung von Militär und Polizei vorgenommen, denn schließlich trügen beide Waffen uns müssten zur Not schießen. Es ist zynisch wenn Gauck einen Polizeieinsatz mit einem Militäreinsatz vergleicht. Die Polizei dient zur Durchsetzung des Rechts, sie bedeutet eine Überwindung der Selbstjustiz und des Einsatzes von Gewalt durch jeden Einzelnen. Wer das Militär und dazuhin als einzelnes Staatsoberhaupt zur Weltpolizei erhebt, begeht einen Rückfall in das Denken, das noch bis Mitte des letzten Jahrhunderts vorherrschte, nämlich, dass im Verhältnis zu den Staaten untereinander ein Recht gebe, Krieg zu führen. Die Polizei hat das Recht körperliche Gewalt auszuüben, zur Gefahrenabwehr und um den inneren Rechtsfrieden wieder herzustellen. Sie hat nicht wie das Militär das Recht und den Auftrag mit militärischen Waffen Menschen zu töten und den Freind zu vernichten. Solange wir keine „Weltpolizei“ haben, solange muss für alle Staaten das Völkerrecht gelten.

Gauck spielt mit seinen Einlassungen Menschenrechte gegen das Völkerrecht aus.

Wer, wie Gauck Polizei und Militär gleichsetzt, kommt mit dem nächsten Schritt zum Militäreinsatz (als Polizeieinsatz) im Innern.

Quelle: Harm Bengen

Anmerkung unserer Leserin C.P.: Reinhard Mey hat die Situation bereits 1996 erkannt und sehr treffend beschrieben:

“Wir ha’m ein Grundgesetz, das soll den Rechtsstaat garantieren.
Was hilft’s, wenn sie nach Lust und Laune dran manipulieren,
Die Scharfmacher, die immer von der Friedensmission quasseln
Und unterm Tisch schon emsig mit dem Säbel rasseln?
Der alte Glanz in ihren Augen beim großen Zapfenstreich,
Abteilung kehrt, im Gleichschritt marsch, ein Lied und heim ins Reich!
„Nie wieder soll von diesem Land Gewalt ausgehen!“
„Wir müssen Flagge zeigen, dürfen nicht beiseite stehen!“
„Rein humanitär natürlich und ganz ohne Blutvergießen!“
„Kampfeinsätze sind jetzt nicht mehr so ganz auszuschließen.“
Sie zieh’n uns immer tiefer rein, Stück für Stück,
Und seit heute früh um fünf Uhr schießen wir wieder zurück!”

Ergänzende Anmerkung H.R.: Das ist der reine Wahnsinn: Unser Bundespräsident, ein gelernter Theologe fordert militärische Gewalt als „letztes Mittel“. Mit welchem Elend Krieg verbunden sein kann (ja sogar muss), müsste er eigentlich -auch altersbedingt- wissen. Willy Brandts Worte, nach denen Krieg die „ultima irratio“ ist, kennt er offensichtlich nicht.

[Nachdenkseiten]

Telepolis schreibt dazu:

Zeitgleich zum deutschen Bundespräsidenten äußerte sich in einem Interview mit der katalonischen Zeitung "La Vanguardia" auch das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche zur Bedeutung des Militärs in der Weltgesellschaft. "Der Kapitalismus braucht den Krieg", beschrieb Papst Franziskus kritisch die Lage. Das gegenwärtig herrschende Wirtschaftssystem setze auf Gewalt als Mittel "zum Überleben". Die Rüstungsindustrie opfere Menschenleben im Dienst am "Idol des Profits".

Bemerkenswert ist der Gegensatz zwischen den Sichtweisen dieses Staats- und dieses Kirchenoberhauptes. Hier die Verkündigung des politisch "Prinzipiellen", die Abstraktion von lebensweltlichen Interessen und Wirkungen; dort der kritische Blick auf gesellschaftliche Realitäten. Eine Differenz zwischen zwei gelernten Theologen - die nicht theologisch zu erklären ist.

[Telepolis]

Tumileid

„Man kann sich ja nicht entschuldigen. Man kann nur um Entschuldigung bitten. Es bleibt dem anderen überlassen ob er einen entschuldet. Dieser Andere kann auch keine Entschuldigung annehmen, sondern er kann nur entschulden. Dafür wurde das Leidtun erfunden. Man kann sagen, dass es einem Leid tut, damit sagt man dem Leidtragenden, dass das eigene Verhalten nicht okay war, jedoch ist es ihm freigestellt, ob es zu so etwas wie einer Entschuldung kommt. Man selbst gerät in die Rolle des Demütigen, der über sich urteilen lässt. Findet eine Entschuldung des Leidtragenden nicht statt, worauf der Leidtragende sein gutes Recht hat, ist er halt ein bisschen grummelig und nachtragend, es ist aber sein Recht. Leidtun ist hauptsächlich für Eilige sinnvoll, wenn man mit Koffern durch den Flughafen (oder mit Ellbogen durch die Welt) marschiert. Man hat nicht die Zeit, stets abzuwarten ob es zu einer Entschuldung kommt, sondern man wirft bei Anremplern einfach ein “Tut mir leid” durch die Gegend, in der Hoffnung, dass der eine oder andere eine Entschuldung ausspricht. Mit ein bisschen Glück kommt man auf eine Entschuldungsquote von über 50% (“Ist okay, kein Problem”) und man selber läuft nicht mit dieser ungeheuerlichen Schuldlast herum. Und mal ehrlich, die Grummeligen und Nachtragenden, die einen nicht entschulden, sind doch immer ein bisschen selbst schuld.“

[Quelle]