Ich bin Sofie Scholl oder so.

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Also gut, ein paar wenige Gedanken zu dem Sophie Scholl-Vergleich. Ich gehe nicht auf den Anlass und die Person ein, da es darum (für mich zumindest) nicht geht. Es geht um die Strategie dahinter. Und die ist nicht neu, sondern die gibt es schon eine ganze Weile. #NatsAnalyse

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Dieses Bild habe ich zum Beispiel seit meinem ersten Vortrag über die Identitären in meinen Präsentationen. Weil ich zeigen möchte wie diese Art des Rechtsextremismus auch über die Aneignung von Symbolen (und Sophie Scholl ist so ein Symbol) der Gegenseite funktioniert. https://twitter.com/Natascha_Strobl/status/1330817245002543106/photo/1

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Auch die AfD springt immer wieder auf diesen Zug auf. Zum Beispiel beim "Trauermarsch" in Chemnitz (ihr erinnert euch?). Da haben sie sich alle eine weiße Rose ins Knopfloch gesteckt. Hier natürlich mit mehr Ambivalenz, aber auch Provokation.

https://www.stern.de/politik/deutschland/afd-demonstration-in-chemnitz--die-rechten-rosenkavaliere-8238506.html

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Warum machen die das? Die Weiße Rose und Sophie Scholl waren doch gegen die Nazis und das sind ja Rechtsextreme, wie passt das alles zusammen? Eigentlich natürlich nicht. Aber es passieren hier folgende Dinge: 1. Aneignung 2. Umwertung 3. Instrumentalisierung

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): 1. die Aneignung ist schnell erklärt. In der Neuen Rechten und besonders im Strang nach 2000 und ganz besonders die Identitären leben ein "Anything goes"-Prinzip. Wenn es für ihre Sache nützlich ist, dann verwenden sie e Symbol auch. Sie bedienen sich kulturell wo sie nur können.

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Egal, ob linke elektronische Musik, bestimmte Serienfiguren oder eben historische Persönlichkeiten. Von unpolitischen Symbolen bis zu linken kulturellen Idolen nehmen sie alles und speisen es in ihre Ästhetik ein. Gerne (nicht zwingend) mit einem ihrer typischen Sprüche.

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Sind es dezidiert beliebte Symbole in linken o feministischen Kreisen (Hermine Granger zB), dann kommt die diebische Freude an der Provokation hinzu. Das bringt Aufmerksamkeit. Selbst sind sie bereit ideologische Abstriche bzw arge Verrenkungen zu machen, hauptsache Provokation.

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Sophie Scholl ist in dieser also nur ein Symbol von Vielen, gleichgestellt zwischen Serienfiguren u Romanhelden. Eine bekannte und beliebte Person, die für etwas Gutes steht, egal ob fiktional oder in echt. Ihr als Person wird so ein Umgang natürlich nicht gerecht.

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): 2. Die Umwertung. Wenn zum Kalkül dann der Versuch e ernsthaften ideologische Auseinandersetzung kommt, dann wird umgewertet. Sophie Scholl wird nicht nur aus Provokation auf e Sticker gepappt, sondern zur Heldin eines "identitären Widerstands" umgedeutet.https://www.ulm-news.de/weblog/ulm-news/view/dt/3/article/62608/imageId/1054779/

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Im modernen Rechtsextremismus wird zunehmend versucht sich des Nationalsozialismus zu entledigen und sich selbst gar in den Widerstand einzuschreiben und konservativen Widerstand überzubetonen (Stauffenberg) bzw. den linken Widerstand zu negieren, unsichtbar zu machen.

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Dazu passt auch, dass der Nationalsozialismus zu einer "linken" oder "universalistischen" Ideologie umgewertet wird. (weil NationalSOZIALISMUS) Es kommt zu einer kompletten Verkehrung: Links=NS, rechts = Widerstand. Das ist natürlich komplett unhaltbar.

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Das ist natürlich eine schräge und wissenschaftlich in keinem Konsens vorkommende Sicht der Dinge. Es gibt aber genug reichweitenstarke Personen, die diesen Anwürfen immer wieder Raum geben und so sag- und diskutierbar machen. Auch die haben Anteil an den Konsequenzen.

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): 3. die Instrumentalisierung. Nicht Alle, die bei den Querdenker-Demos mit Judenstern ( man eignet sich nur den Widerstand, sondern auch das Opferdasein an) oder Sophie Scholl-Shirt herumgehen haben das ideologisch fein durchexerziert. Es passiert hier noch etwas.

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Die Entwertung des NS, der Opfer und des Widerstands passiert nämlich auch in dem sie zu Chiffren gemacht werden und ihrer Zeit bzw. der Ideologie enthoben werden. Nazi wird i einem sprachlichen Maximalismus zu einem Synonym für "sehr sehr schlimm". Alles was schlimm ist ist Nazi

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Wer sich als Opfer fühlt, der bezeichnet sich als "Neue Juden" (hat Strache schon 2012 gemacht, weil es böse war, dass es Proteste gegen den Burschenschafterball gibt) und wer auf einer Demo spricht ist gleich Sophie Scholl.

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Dieser unsensible Umgang ist gewünscht und wird befeuert und ergibt sich eben auch aus Punkt 2 und 1. Wer kein Interesse an "Nie wieder" hat, der_die kann sich auch frei und ohne Genierer an historischen und politischen Symbolen bedienen und sie der eigenen Agenda unterordnen.

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Was hier passiert ist also eine komplette Entwertung d Geschichte. Als hätten reale Ereignisse keine Bedeutung mehr, als gäbe es keine Vorläufer, keine Nachwirkungen. Als seien Nazis, die Opfer u der Widerstand nur Punkte in der Geschichte, d "wem" gehören u die man sich "nimmt"

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Die gute @sarahbosetti hat dazu in viel kürzer Zeit viel punktgenaues gesagt.

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Und die wunderbaren @f_karig und @samelou haben sich das psychoanalytisch angeschaut.

Natascha Strobl (@Natascha_Strobl): Wie immer mache ich das auf Twitter einfach, weil es mein Ding ist. Wer mich unterstützen möchte, hier bitte:

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Sie werden es nicht verstehen (wollen).

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): Stehen 16 Ministerpräsident:innen vor einem brennenden Haus. Sagt der eine "Wollen wir die Feuerwehr rufen? Das Feuer könnte sich auf die anderen Häuser ausbreiten". "Nein", antwortet der andere, "die Sirenen könnten die Bevölkerung stören und dann werde ich nicht wiedergewählt".

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): Einer der Dachbalken löst sich und fällt splitternd zu Boden, Funken stieben in den Nachthimmel. "Wollen wir erst mal nach Hause und nächste Woche noch mal herkommen?". "Ja, gute Idee". Alle gehen nach Hause. Keine Pointe.

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): Es gibt nur wenige Dinge, die mich mehr beunruhigen, als diese wirklich absonderliche (, neumodische?) Angewohnheit in der Politik, mit Naturphänomenen verhandeln zu wollen. Ja, ich weiß, in Demokratien ist der Kompromiss oft das Mittel der Wahl, leuchtet mir auch ein.

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): Aber Ihr verhandelt hier nicht mit der Opposition über die Höhe von Transferleistungen, sondern ihr versucht, mit einem Virus zu verhandeln. Das ist ungefähr so aussichtsreich wie dem Schnee in der Einfahrt gut zuzureden, weil man ihn gerade nicht wegschippen will.

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): Kennt ihr den Marshmallow-Test? Da hat ein Psychologe Kinder in einen Raum gesetzt und vor die Wahl gestellt, sofort einen Marshmallow zu bekommen oder etwas zu warten und dann zwei zu bekommen. Menschen mit Impulskontrolle gehen bei diesem Test mit zwei Marshmallows nach Hause.

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): Unsere Politik scheint aktuell auf Menschen ausgerichtet, die das Ding umgehend essen, zur Tür rennen und "Ich will mehr! SOFORT!" schreien. Unsere 2 Marshmallows hätten Weihnachten sein können. Unsere 10 Marshmallows könnten eine auf 1,5 Grad begrenzte Erderwärmung sein.

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): Denn auch mit meteorologischen Effekten und Klimagasen scheinen sich einige Leute an einem Verhandlungstisch zu wähnen. Als könne man mit CO2-Molukülen einen Deal ausmachen, dass sie weniger mit Wärmestrahlung wechselwirken und man dafür aber im Gegenzug irgendwo eine Kita baut.

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): War das immer schon so? Ich frage mich, wie historisch einschneidende Ereignisse verlaufen wären, wenn die damaligen Protagonisten angesichts ernsthafter Bedrohungen auch schon so eine zaghafte Entschlossenheit an den Tag gelegt hätten.

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): Oh, wir müssen Berlin wegen einer Blockade aus der Luft versorgen? Gut, hier habt Ihr eine Cessna und 10 Sack Kartoffeln. Auf mehr konnten wir uns erst mal nicht einigen, aber wir treffen uns nächste Woche nochmal und gucken, ob die Berliner Bevölkerung dann noch Hunger hat.

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): Das klingt immer so versöhnlich, harte Maßnahmen abzulehnen. "Wir wollen den Menschen nicht ihre liebgewonnen Angewohnheiten nehmen." Am Ende sitzen diese Menschen dann aber halt allein am Weihnachtsbaum, bzw. auf einem Planeten mit um 20 Meter angestiegenem Meeresspiegel.

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): Wisst ihr, was noch unangenehmer ist, als so ein richtig schmutziges Klo zu putzen? Einen Monat zu warten und es dann zu putzen.

Macht verdammt noch mal das Klo sauber...

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): PS: Die Ergebnisse des sogenannten Marshmallow-Tests von Walter Mischel konnten in späteren Untersuchungen nicht gut reproduziert werden. Ich nutze ihn aber auch nur als Metapher dafür, sich zuerst einzuschränken, um es langfristig besser zu haben.

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): Paradebeispiel ist auch diese Nummer mit freiwilliger Quarantäne vor Weihnachten: Wer 10 Tage davor die Füße stillhält, kann zusammen feiern. Dazu kommt von Laschet ernsthaft der Vorschlag, die Ferien 2 Tage (!) früher beginnen zu lassen.

Das kann man dann halt auch sein lassen.

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): In South Australia wurde vorgestern wegen 22 Neuinfektionen ein einwöchiger Lockdown verhängt. Und zwar nicht so ein deutsches Lockdownchen sondern einer, durch den danach so was wie Normalität wiederhergestellt ist.

Geschlossen werden:

Schulen

Universitäten

Restaurants

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): Ausgesetzt werden:

Hochzeiten

Beerdigungen

Reiseverkehr

Pro Haushalt darf eine Person für essenzielle Einkäufe das Haus verlassen.

Klar, ist 'ne ziemlich ätzende Woche, mit dem großen Vorteil, dass danach keine Kinder im Winter bei offenem Fenster in der Schule sitzen müssen.

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): +++ Ich habe mir das jetzt einfach mal von der Seele geschrieben, weil ich es loswerden musste. Kommt mir etwas komisch vor, auf meine Spendenseite zu verweisen, aber ich hab ja 'ne Weile dran gesessen, insofern:

►Hier könnt Ihr mich hier unterstützen https://graslutscher.de/unterstuetzer/

+++

Der Graslutscher (@DerGraslutscher): Vielleicht ist das Problem auch, wenn Menschen mit unterdurchschnittlicher Vorstellungskraft zu wichtigen Entscheidungsträger:innen werden.

Einen Planeten mit deutlich höherem Meeresspiegel muss man sich halt auch erst mal vorstellen können. 

https://twitter.com/DerGraslutscher/status/1330079377443463168/photo/1


Verfügbarkeitsheuristik

  • [l] Versöhnlicher Leserbrief:
    ich habe mich schon im Frühjahr gewundert, daß Leute, die sich bisher vor allem für ganz andere Sachen interessiert haben, plötzlich von "Grundrechtseinschränkung" und "Merkeldiktatur" redeten.

    Aber die haben einfach nicht mitbekommen, daß die Polizeigesetze aus den letzten Jahren der Polizei erlauben, jede beliebige Person wegen fiktionaler Vergehen, die sie eventuell in einer fiktionalen Zukunft begehen könnten, für unbegrenzte Zeit wegzusperren. Und die haben auch nicht mitbekommen, daß schon vorher Leute wegen angeblicher Verbrechen jahrelang in die Psychatrie eingesperrt werden konnten, ohne ihre Rechte auf einen fairen fairen Prozess wahrnehmen zu können. Oder daß Leuten, die ihr Demonstrationsrecht in Anspruch nehmen, um gegen einen Bahnhofsneubau zu demonstrieren, von Wasserwerfern die Augen rausgeschossen werden können. Oder daß das ständige Abhören all unserer Kommunikation mit keiner Grundrechtsdefinition zu vereinbaren ist. Oder daß Nazi-Freicorps mit nachgewiesener finanzieller und organisatorischer Unterstützung der staatlichen Behörden mordend durch die Straßen ziehen konnten. Oder daß Leute mit aktiver persönlicher Beihilfe unseres Außenministers in einem Foltergefängnis jahrelang gewaterboardet werden können. Oder daß Journalisten, die einmal ihren Job gemacht und Informationen über Kriegsverbrechen veröffentlicht haben, in einem Foltergefängnis landen - ohne Aussicht auf einen fairen Prozess oder überhaupt irgendeine Zukunft.

    Und dann betrifft sie das selbst einmal, und dann denken sie, daß ist etwas zuvor nie Dagewesenes. Und daß sie die Einzigen sind, die davon betroffen sind. Weil sie eine Maske tragen müssen. Nicht weil sie in die Psychatrie oder in ein Foltergefängnis eingesperrt oder mit dem Tod bedroht wurden. Sondern weil sie im Bus für eine halbe Stunde eine Maske tragen müssen, während eine globale Pandemie herrscht.

    Da ist nicht (nur) Dummheit und Ignoranz im Spiel, sondern vor allem Unwissenheit. Aber woher sollen sie diese Dinge erfahren? Aus der Tagesschau oder den Radio-Energy-Nachrichten?

    Update: Sagt mal, da gibt es doch bestimmt einen tollen Fachbegriff für, wenn man Dinge erst wahrnimmt, wenn sie einen selbst betreffen. Kennt den jemand?

    Update: Ein Leser kannte den Fachbegriff: Verfügbarkeitsheuristik.



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