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Ich setz auf die Liebe! - Hans Dieter Hüsch

Ich setze auf die Liebe

das ist das Thema

den Hass aus der Welt zu entfernen

bis wir bereit sind zu lernen

dass Macht, Gewalt, Rache und Sieg

nicht anderes bedeuten als ewiger Krieg

auf Erden und dann auf den Sternen.


Ich setze auf die Liebe

wenn Sturm mich in die Knie zwingt

und Angst in meinen Schläfen buchstabiert

ein dunkler Abend mir die Sinne trübt

ein Freund im anderen Lager singt

ein junger Mensch den Kopf verliert

ein alter Mensch den Abschied übt.


Ich setze auf die Liebe

das ist das Thema

den Hass aus der Welt zu vertreiben

ihn immer neu zu beschreiben.


Die einen sagen es läge am Geld

die anderen sagen es wäre die Welt

sie läg' in den falschen Händen

Jeder weiß besser woran es liegt

doch es hat noch niemand den Hass besiegt

ohne ihn selbst zu beenden.


Es kann mir sagen was es will

es kann mir singen wie er's meint

und mir erklären was er muss

und mir begründen wie er's braucht

Ich setzte auf die Liebe! Schluss!


Hanns Dieter Hüsch (1925-2005)

Gleichgewicht des Schreckens (1981) - Hanns Dieter Hüsch

Ich habe mir gestern eine Eisenstange gekauft

Weil sich mein Nachbar zur Rechten auch eine Eisenstange gekauft hat

Und manchmal damit meiner Tochter nachstellt

Jetzt fuchtele ich mit unserer Eisenstange immer seinem Sohn vor der Nase herum

Schlimmes kann also gar nicht passieren

Gut

Seine Eisenstange ist zwar etwas schwerer

Dafür ist meine etwas größer

Aber das Gleichgewicht

Das Gleichgewicht des Schreckens ist gewahrt

Wir grüßen uns auch jetzt immer freundlich mit Grüß Gott

Und mit geballter Faust natürlich

Aber friedlich

Wir haben übrigens auf dem Speicher gut versteckt

20 hautscharfe Rasiermesser bereitliegen

Mein Nachbar sagt er habe nur 19

Für mich heißt das dass er 21 hat

Wir lassen uns nicht übers Ohr barbieren

Mein Sohn bringt jetzt aus der Schweiz zwei nagelneue Rasiermesser mit

Denn keiner soll mehr haben als der andere

Nur immer ein bisschen

Die Leute über uns arbeiten mit kochend heißem Teer

Und horten Federn von wegen Teeren und Federn

Was ja in Amerika schon lange sehr beliebt ist

Sie haben schon die ganze Wohnung mit großen Bottichen voll kochend heißem Teer

Weil, direkt gegenüber von ihnen werden auch laufend Teer und Federn angeliefert

Nicht dass das alles zur Anwendung kommt, beileibe mitnichten!

Nur damit alle ungefähr das Gleiche haben

Und so unsere uralten Aggressionstriebe im Zaum gehalten werden.

Ich habe zwar neun Jahre humanistische Bildung und Erziehung genossen

Die Zehn Gebote immer schön auswendig gelernt und immer schön behalten

Und ich bin ja auch konfirmiert worden und mit abendländischer Kultur vertraut

Aber in Wirklichkeit bin ich immer noch ein regelrechter Barbar

Stehe ganz am Anfang und muss also dankbar sein für das Gleichgewicht des Schreckens

Denn wer weiß, was für ein Mörder in mir und in dir steckt

Mein Untermieter nennt seit einer Woche zwei Daumenschrauben sein Eigen

Hat er aus dem Foltermuseum in Rothenburg ob der Tauber mitgehen heißen

Weil, der Untermieter im Haus gegenüber hat auch zwei Daumenschrauben

Mit denen geht er abends in seine Stammkneipe

Seit der Zeit gibt’s dort keine Schlägerei mehr

Ich will mit meiner Tochter im Frühjahr eine Do-it-yourself-Guillotine basteln

Weil mein Nachbar zur Linken schon seit längerer Zeit mit seiner Frau an einem elektrischen Stuhl bastelt

Aber wir sind alle friedliebende Menschen, und so kann gar nichts passieren

Und wenn

Dann wär ja schon längst was passiert

Nur Pazifisten, die sollte man jetzt genauer beobachten und gleich kasernieren

Die wollen doch tatsächlich Frieden ohne Waffen machen

Einfach so

Als wenn das so ginge

Schwache Menschen sind das

Muttersöhnchen

Wir müssen uns doch heute alle dazu bekennen

Dass wir eigentlich alle Mörder sind

Aber es nicht dazu kommen lassen müssen brauchen sollen dürfen

Weil wir Gott sei Dank das schöne Gleichgewicht des Schreckens erfunden haben

Wenn das kein Humanismus ist

Dann will ich Apel* heißen.


HANNS DIETER HÜSCH 1981


* Hans Apel, Bundesminister der Verteidigung von 1978-1982