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Kriegsmethodik eines Demokraten [Update 31.7.2018]

Qasioun News Agency • CC BY 3.0

In der Taz rückt ein Ressortleiter die Linke-Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel in die Nähe von Holocaustleugnern

Von Arnold Schölzel

Irgendwann auf dem NATO-Gipfel in Brüssel am 11. und 12. Juli kam die Sache auf den Tisch: Das Militärbündnis hat den Krieg in Syrien verloren.

Die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland teilte jedenfalls nachträglich am 21. Juli mit: »Auf einem Außenministertreffen während des NATO-Gipfels in Brüssel vor einer Woche rief ich zu globaler Führung auf, um diese Helden zu unterstützen und ihnen zu helfen.« Mit »Helden« waren die »Weißhelme« gemeint, eine von britischen Geheimdienstlern und von NATO-Staaten mit Millionenbeträgen finanzierte Truppe von angeblichen Zivilschutzhelfern. Das Besondere: Anders als z. B. Mitarbeiter des Roten Kreuzes oder des Roten Halbmonds fotografierten diese Leute Kriegsopfer, verwendeten die Bilder für Propaganda im Internet und waren stets dabei, wenn die syrische Armee angeblich Giftgas eingesetzt hatte. Das zog mehrmals die vom Westen angedrohten Militärschläge nach sich, auf die die Regierung in Damaskus offensichtlich versessen ist.

So absurd die »Weißhelm«-Propaganda generell war, so dilettantisch wurden zuletzt die Inszenierungen. Schluss war wohl nach dem 7. April.

Wenige Stunden vor Einnahme der Ostghuta griff die syrische Armee angeblich Duma im Nordosten von Damaskus mit Chemiewaffen an. Die Blödelei war offensichtlich.

Wenigstens propagandistisch will die NATO aber den Syrien-Krieg nicht verloren haben. Offenbar vereinbarten die in Brüssel versammelten Fachleute für illegale Kriege von Erdogan und Orban bis Merkel und Macron, die Kollaborateure nicht fallenzulassen. Bereits am 15. Juli berichtete CNN, auf dem Gipfel sei die Evakuierung der »Weißhelme« beschlossen worden. Das werde beim Treffen von Wladimir Putin und Donald Trump in Helsinki am 16. Juli ein Gegenstand sein. Ob das so war, ist unbekannt.

Am vergangenen Wochenende meldete aber Israel Vollzug: Die »Weißhelme« seien nach Jordanien gebracht worden. Der bundesdeutsche Mainstream stimmte Hymnen über Humanismus an. Dem Vereinsorgan der Grünen, der am meisten russophoben, also chauvinistischen, und am meisten bellizistischen, also aggressivsten deutschen Partei, der Taz, reichte das nicht. Dort knöpfte sich der Koressortleiter für Außenpolitik, Dominic Johnson, am Mittwoch die Linke-Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel vor. Sie hatte nach der Evakuierung »Skandalös!« getwittert und die »Weißhelme« in einer Pressemitteilung als »Unterstützer islamistischer Terrormilizen« bezeichnet. Johnson machte daraus: »Eine ›linke‹ Abgeordnete bezeichnet die Rettung von Menschen als Skandal. Deutschland scheint in Menschenverachtung vereint zu sein. Die einen wollen Afrikaner ertrinken lassen, die anderen syrische Helfer in den Tod schicken.« Etwas weiter im Text folgt dann der hierzulande schärfste Vorwurf, den zu erheben für Leute wie ihn obligatorisch ist: »Was manche Assad-Claqeure von sich geben, von der Gleichsetzung aller Demokraten mit dem IS bis hin zur Leugnung der Massenverbrechen des Regimes, gleicht in der grotesken Methodik der Holocaustleugnung.« Nun hatte Heike Hänsel zur Kriegführung der syrischen Regierung zwar nichts gesagt, setzte auch nichts gleich, wohl aber Johnson: Assad gleich Hitler, Heike Hänsel zumindest methodisch Holocaustleugnerin.

Wo der Mann recht hat, hat er recht – »groteske Methodik« ist sein Ding: Leugnen des Zusammenspiels von NATO und IS in Verbindung mit dem Vorwurf, nahe beim Antisemitismus zu sein. Das ist konsequent. NATO und Israel wissen schließlich, was sie am IS haben – mit ihm kann der Krieg in Syrien zwar nicht mehr gewonnen, aber auch nicht beendet werden. Israel schoss am Dienstag also ein syrisches Kampfflugzeug, das den IS bekämpfen sollte, ab. Anschließend kamen bei Selbstmordattentaten mehr als 300 Syrer ums Leben. Johnson ist ein hervorragender Repräsentant demokratischer Kriegsmethodik.

Junge Welt


Update 31.7.2018: 

Interessante weiterführende Betrachtung, siehe auch hier und hier.