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Der Zschäpe-Prozess in München

Telepolis berichtet.

Auszug:

„Hunderte unbeantworteter Fragen

Am 6. Mai 2013 hatte dieser Mammutprozess begonnen. Noch drei Jahre später zeigte sich jedoch, wie unaufgeklärt alles ist, was mit der Chiffre "NSU" zusammenhängt. Am 6. Juli 2016, dem 295. Sitzungstag, konnten zum ersten Mal die Anwälte und Anwältinnen der Nebenklage, sprich Opferangehörigen, Fragen an die Hauptangeklagte Beate Zschäpe stellen. Es wurden hunderte. Jahrelange Ermittlungen, Beweisaufnahmen, Zeugenvernehmungen, Spurenbegutachtungen - und dennoch überall zahllose weise Flecken. Was kann dieser Prozess angesichts eines derartigen Befundes leisten? 

Unter den Fragen, die die Opferanwälte stellten, waren folgende: 

  • Frau Zschäpe, wissen Sie, warum und wie Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter als Mordopfer ausgesucht wurden? 
  • Haben Ihnen Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos gesagt, warum Sie den ersten Mord in Nürnberg begangen haben? 
  • Welche Unterstützer in Nordrhein-Westfalen (NRW) hatten Sie oder Mundlos oder Böhnhardt? 
  • War nach dem Mord an Halit Yozgat zwischen Mundlos, Böhnhardt und Ihnen ein Gesprächsthema, dass sich ein Angehöriger des Verfassungsschutzes im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zur Tat am Tatort aufgehalten hat? 
  • Haben Sie Kenntnis von dem Grund, warum Mundlos und Böhnhardt nach dem Mord an Halit Yozgat, jedenfalls soweit bekannt, nicht mehr mit der Waffe Ceska 83 getötet haben sollen? 

"Was war der Anlass für den Umzug von Chemnitz nach Zwickau?"

  • Was war der Anlass für den Umzug von Chemnitz nach Zwickau im Juli 2000, nachdem Sie bzw. Mundlos und Böhnhardt nach den Raubüberfällen nicht entdeckt worden waren? 
  • Haben Sie, Mundlos und/oder Böhnhardt Tino Brandt nach dem Untertauchen persönlich getroffen? 
  • Mit welchen Personen aus der rechten Szene hatten Sie nach Ihrem Umzug nach Zwickau Kontakt und wer hat Sie, Mundlos und/oder Böhnhardt, außer André und Susann Eminger, in Ihren dortigen Wohnungen besucht? 
  • Es geht um den Bombenanschlag in der Keupstraße in Köln: Wussten Sie, warum die Keupstraße ausgewählt wurde? 
  • Wissen Sie, wer die Bombe gelegt und gezündet hat und ob es vor Ort Helfer gab, außer den beiden Uwes? 
  • Haben Sie eine Erklärung dafür, warum zweimal in Köln Anschläge verübt wurden? 
  • Hatten Sie, Mundlos und Böhnhardt nach dem Untertauchen weitere Einnahmequellen als die bekannten Überfälle? 
  • Warum glaubten Sie, Mundlos und/oder Böhnhardt, in der Frühlingsstraße 26 sicherer zu sein als in der Polenzstraße 2? 

"Wurden Sie von einem Nachrichtendienst angesprochen?"

  • Wurden Sie, Mundlos und/oder Böhnhardt zu irgendeiner Zeit von einem Nachrichtendienst oder dem polizeilichen Staatsschutz oder einer sonstigen polizeilichen Stelle angesprochen? Wenn ja, von wem, mit welchem Ziel, und wie haben Sie, Mundlos und/oder Böhnhardt darauf reagiert? 
  • Ist Ihnen seitens Mundlos/Böhnhardt mitgeteilt worden, welchen Bezug diese zu der Stadt Heilbronn hatten und wieso diese dort Polizeibeamte als Opfer gesucht haben? 
  • Ist Ihnen bekannt, ob, ggf. wie oft und wann die zwei sich vor dem 25.04.2007 in Heilbronn aufhielten und aus welchem Anlass? Waren Sie bei einem dieser Besuche dabei? 
  • Falls Sie Kenntnis von einer oder von mehreren Fahrten von Mundlos und/oder Böhnhardt nach Hamburg im Jahr 2001 oder davor hatten: Von wie vielen Fahrten wissen Sie? Was war der Grund für diese Fahrten? 
  • Sind Sie, Mundlos und/oder Böhnhardt zwischen dem 26. Januar 1998 und dem 4. November 2011 noch einmal nach Jena zurückgekehrt? Wenn ja, wann war dies und wer wurde dort besucht? 
  • Gab es eine zweite oder dritte Wohnung, die Sie, Mundlos und/oder Böhnhardt neben der Wohnung in der Frühlingsstraße 26 genutzt haben? Wenn ja, wo war die Wohnung; wo waren die Wohnungen? 
  • Welches Mädchen oder welcher Junge war bei der Anmietung des Wohnmobils am 25. Oktober 2011 dabei? 

"Wem gehörten die Kindersandalen in dem Wohnmobil?"

  • Welchem Kind gehörten die rosa Kindersandalen Größe 33, die in dem Wohnmobil gefunden worden sind? 
  • Sie gaben an, Sie seien vom 4. bis zum 8. November 2011 "kopflos" von Bahnhof zu Bahnhof gefahren. Wollten Sie in den Orten, zu denen Sie gefahren sind, Personen treffen oder haben Sie Personen getroffen? Wenn ja, wen und zu welchem Zweck? 
  • Haben Sie nach Ihrer Festnahme wörtlich oder sinngemäß angegeben, Sie hätten sich nicht gestellt, um nicht auszusagen? Haben daraufhin unmittelbar durch Sie oder durch Ihre Anwälte Gespräche über eine mögliche Aussage stattgefunden? Wurde hierbei auch die Frage einer Kronzeugenregelung besprochen? 
  • Hatten Sie, Mundlos oder Böhnhardt nach dem Untertauchen Kontakt zu so genannten Rockern oder anderen kriminellen Gruppierungen? 
  • Hatten Sie nach dem Untertauchen Kontakt zu Polizeibeamten oder Mitarbeitern von Nachrichtendiensten? 
  • Wurden nach Ihrem Wissen Ralf Wohlleben oder Holger Gerlach einmal von einem Nachrichtendienst oder dem polizeilichen Staatsschutz angesprochen? Und wenn ja, von wem, mit welchem Ziel und wie haben diese darauf reagiert? 
  • Wurden Sie zu irgendeinem Zeitpunkt nach Ihrer Inhaftierung im November 2011 von Mitarbeitern eines Nachrichtendienstes aufgesucht? Wenn ja, was wollten diese und was haben diese mit Ihnen besprochen? 
  • Wurden Ihre Verteidiger von Mitarbeitern eines Nachrichtendienstes kontaktiert? Wenn ja, von wem, kennen Sie den Inhalt der entsprechenden Kommunikation? 
  • Haben Sie die Rechte für eine Autobiographie, ein Exklusivinterview oder einen ähnlichen Text verkauft? Wenn ja, für welche Summe? Wenn nein, beabsichtigen Sie Entsprechendes? 

Unter den Fragen war auch eine, die mit dem Mordfall Peggy korrespondieren könnte: 

  • Haben Sie Kenntnis von weiteren Taten, insbesondere Tötungsdelikten, Sprengstoffanschlägen, Raubüberfällen und ähnlichem, die nicht in der Anklageschrift aufgeführt sind, an deren Begehung Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt beteiligt waren?“

@padeluun fasst zusammen

Dank des Whistleblowers Edward Snowden, haben wir nun die gesicherte Erkenntnis, welchen Übergriffen wir Menschen sowie Politik und Wirtschaft täglich ausgesetzt sind. Und trotzdem glauben wir „irgendwie“, dass Geheimdienste für Sicherheit sorgen.

Geheimdienste sind Relikte des Kolonialismus, der heute durchaus treffend Imperialismus genannt werden kann. Geheimdienste sind dafür da, Menschen zu belügen, sie zu verunsichern, Länder zu destabilisieren, gefügig zu machen und zu berauben. Sie führen nicht erklärte Kriege und provozieren damit Gegenschläge. Sie arbeiten für die Mächtigen statt für den demokratischen Souverän. Sie produzieren Unsicherheit.

Geheimdienste stehen nicht für Sicherheit. Im Gegenteil. Für Sicherheit sorgen Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Geheimdienste sind dafür da, genau diese drei Ideale zu unterlaufen.

Die Dienste werden (egal ob juristisch legal oder illegal) eingesetzt, um uns täglich zu verunsichern. Diese Verunsicherung funktioniert von ganz alleine: Da muss man nur behaupten, dass man alle Daten sehen und alle Telefonate mithören könne. Die Konklusion ist Geschichte, die sich im Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts bereits 1983 manifestierte: Menschen werden in ihren individuellen Entfaltungschancen beeinträchtigt. Auch das Gemeinwohl leidet, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.