Die Kabarettisten Max Uthoff und Claus von Wagner hinterfragen in der ZDF-Satire-Sendung „Die Anstalt“ immer wieder vor einem Millionenpublikum kritisch die großen politischen Themen unserer Zeit. Ob griechische Staatsschuldenkrise, Flüchtlingskrise, Armut, Krieg und Frieden: Die „Anstaltskabarettisten“ bürsten von Politik und Medien eingeschliffene Erzählungen und Erklärungsmuster oft gegen den Strich und präsentieren Lesarten, wie sie im Mainstream der Berichterstattung eher selten sind. Dafür finden Sie beim Publikum großen Anklang. Im Interview mit den NachDenkSeiten wirft Max Uthoff einen nachdenklichen, aber zugleich auch mit reichlich Witz und Ironie versehenen Blick auf seine Arbeit und die Berichterstattung der Medien. Ein Interview von Marcus Klöckner.
Herr Uthoff, in einer denkwürdigen Sendung hatten Sie 2015 Argyris Sfountouris eingeladen, der als vierjähriger Junge 30 Verwandte in der griechischen Kleinstadt Distomo durch ein Massaker verloren hat, für das die SS verantwortlich war. Damals ging es in der Anstalt um die griechische Staatsschuldenkrise und Reparationen für Ansprüche Griechenlands im Zusammenhang mit der deutschen Okkupation im Zweiten Weltkrieg. Gewähren Sie uns bitte einen Einblick: Hat die Auseinandersetzung mit diesem Fall bzw. die Begegnung mit Sfountouris Sie verändert? Anders gefragt: Verschärft eine solche direkte Begegnung mit einem Menschen, der so etwas wie Sfountouris erlebt hat, noch einmal den eigenen kritischen Blick auf das Thema „Krieg“?
Es wäre seltsam, wenn nicht. Immer ist es die persönliche Begegnung, die entweder Vorurteile überwindet oder aus Zahlen und Geschichte wirkliches Leid macht und vom Leben erzählt. Argyris Sfountouris Bekanntschaft zu machen, und das Privileg mir von ihm danach noch zweimal bei Kaffee und Kuchen Europa und den Weltenlauf erklären zu lassen, ist einer der wunderbaren Aspekte dieser Fernseharbeit gewesen. Die Sendung rief ja auch in Griechenland ein großes Echo hervor, selbst in den Abendnachrichten freute man sich darüber, mal eine andere Stimme aus Deutschland zu hören, als die des Rassisten und Spardiktators, der vom „faulen Griechen“ schwafelt. Jemandem wie Argyris zuzuhören, wenn er von damals spricht und dem Leid, das der Krieg über seine Familie und ihn gebracht hat, schärft das Bewusstsein um die Opfer. Weit weg sterben und leiden Menschen durch Krieg die wir nicht kennen, die aber sind so wie wir.
Vor kurzem hat in Kassel eine Veranstaltung stattgefunden, bei der es um das Thema „Krieg und Frieden in den Medien“ gegangen ist. Was war Ihre Motivation an der Medientagung teilzunehmen?
Eine freundliche Einladung verbunden mit dem Bedürfnis, mich mit anderen über den Dissens zu unterhalten, der zwischen Scharfmacherei und tatsächlicher Bedrohung liegt. Nicht zu vergessen die verstörende Schönheit Kassels.
Nun leben wir in Zeiten, in denen es enorme Spannungen zwischen der Nato und Russland gibt und immer mal wieder auch das Wort „Krieg“ in diesem Zusammenhang auftaucht. Wie nehmen Sie diese Situation wahr? Bahnt sich hier, wie schon so oft in der Geschichte, der politische Wahnsinn seinen Weg?
Vergessen wir nicht, dass die, die diese Stimmung forcieren, vor allem Militärs sind. Wir sprechen also von erwachsenen Menschen, die irgendwann den Entschluss gefasst haben, das bisschen Lebenszeit, das uns allen vergönnt ist, mit Gehorsam, Befehlen, Strategiespielen und letztlich mit der Idee zu verbringen Löcher in andere Menschen zu machen um deren Leben zu beenden. Ein erwachsener Mensch, der mit Stolz eine Militäruniform trägt, ist grundsätzlich ein Fall für die Couch. Wenn solche Leute dann noch auf Politiker wie Ursula von der Leyen treffen, die den Stahlhelm ihres Vaters aufträgt, dann ist die schlechte Stimmung vorprogrammiert.
Politisch „turbulente“ Zeiten sind sicherlich Wasser auf die Mühlen eines Satirikers. Aber bei der Veranstaltung haben Sie gesagt, dass es Ihnen „angst und bange“ wurde, als sie die „militaristische“ Berichterstattung von so manchem Leitmedium im Zuge der Ukraine-Krise beobachtet haben. Wie konnte es aus Ihrer Sicht zu diesem Journalismus kommen?
Eines wollen wir zunächst festhalten: Russland trägt eine große Mitschuld an der Situation. Ein Land, das sich hartnäckig weigert, seine Rohstoffe und seine Industrie unter das Protektorat des Westens zu stellen und lieber einheimischen Oligarchen statt fremden Investoren den Vorzug gibt, zieht logischerweise den Zorn von Julian Reichelt auf sich. Der Wunsch, es den Russen endlich mal zu zeigen, notfalls unter Einsatz militärischer Mittel, war sicher das Ergebnis einer üblen Melange aus durchgeknallten Nato- Chargen wie Rasmussen, autistischen Transatlantikern in der „Zeit“, dem üblichen Russismus der Springer- Presse und vor allem der skrupelfreien Titelbild- Gestaltung des Spiegel, der alten Landser- Postille aus Hamburg. Was doch beeindruckt ist, dass trotz Gruppenzwang, Auflagendruck, Machtgelüsten bei keinem der Alpha- Journalisten, die darüber entscheiden, was es auf die Aufmerksamkeitsbühne schafft, hinterher irgendeine Form von Einsicht zu sehen war. Das macht sie tatsächlich zu „Unbelangbaren“ wie Thomas Meyer sie genannt hat.
Was kann ein kritisches politisches Kabarett in Zeiten wie diesen leisten? Und: Wo liegen seine Grenzen?
Tut mir leid, ich habe aufgehört mir darüber Gedanken zu machen. Die Bewertung der Qualität, der Wirkung oder des Rahmens der eigenen Arbeit darf ich getrost anderen überlassen. Das muss ich nicht auch noch machen.
Sie haben bei Ihrem Auftritt in Kassel gesagt, dass Sie sich als Kabarettist sehr gerne auch mit einzelnen Personen auseinandersetzen. Manchmal – also gerade dann, wenn es um Verantwortlichkeiten auf der „eigenen“ Seite geht – entsteht in der Berichterstattung der Eindruck, dass der Fokus lieber weg von konkret handelnden Akteuren gelenkt wird. Lieber redet man von, zum Beispiel, „der Globalisierung“ und schreibt diesem abstrakten Begriff alles Mögliche zu, als dass die Verantwortlichen für Missstände konkret benannt werden. Ist das auch Ihr Eindruck?
Und: Ist das vielleicht auch einer der Gründe, warum Sie in Ihrem Solo-Programm gerne auch mal auf einzelne Personen den Fokus setzen?
Ja, das ist auch Wirkung des Neoliberalismus. Akteure gibt es nicht, alles ist angeblich ein Naturprozess der schon alles richten wird. Auch Begriffe sollen überwunden werden. Wer zum Beispiel die SPD heute noch als links bezeichnet, entfernt sich ja von der Politik, der Begriff Armut wird bei uns langsam wegdefiniert und auch „links“/rechts“ soll ein Begriffspaar aus dem vorigen Jahrhundert sein. Und auch bei den Verantwortlichen werden Akteure kaum noch benannt, weil es eben den Zigarre- rauchenden Unternehmer, der als Gegner identifizierbar ist, kaum noch gibt. Sondern „die Investoren“, „die Interessen“ „des shareholder- value“ oder „die Globalisierung“, alles immer gerechtfertigt durch das Mantra „Wettbewerbsfähigkeit“. Deutlich wird das dann, wenn die Profitgier dann doch mal ein Gesicht bekommt, wie beim Käser-Sepp, der sich, um Weltläufigkeit zu simulieren von aller Welt Jo nennen lässt.
Zum Abschluss noch ein Gedankenspiel: Sie wachen morgen früh auf und Medien berichten durchgehend plötzlich so, wie sie es im Sinne eines kritischen Journalismus eigentlich sollten. Was würden Sie dann sehen? Was würde sich ändern?
Das ist mir zu pauschal. „Die Medien“, die unablässig tendenziös und einseitig berichten, gibt es nicht. Ich würde mich freuen, wenn ich aufwache und es dann von dem guten, genau recherchierten, kritischem Journalismus, den es heute schon gibt, einfach noch viel, viel mehr gibt. Wenn mehr Leute, die als junge idealistische Journalisten begonnen haben, sich gegen die Vorgaben der Alpha- Männchen in den Redaktionen zur Wehr setzen. Dafür schicken wir Josef Joffe zum Stirnölguss nach Südtirol und übertragen Mely Kiyak die Chefredaktion der „Zeit“. I have a dream!