Potemkinsches Schloss

Thread by @elizab0t

Während woanders Statuen stürzen, wird in Berlin im wahrsten Sinne des Wortes dem Kolonialismus die Krone aufgesetzt.

Mein persönlicher Throwback Thursday:

In deutschen Museen lagern viele Objekte aus anderen Ländern. Leo Frobenius 1923 über die Sammelwut, die sie nach D brachte: „Man entdeckte, abenteuerte und eroberte. (...) Die Naturwissenschaften sammelten und die ethnographischen Museen schwollen an wie trächtige Flußpferde“.

Die Gegenstände sind teils klar widerrechtlich, teils unethisch ihren ehemaligen Besitzern oder aus ihrem ursprünglichen Kontext entwendet worden. goethe.de/prj/lat/de/spu…

Ob ein Stück Raubkunst ist, ist heute oft nicht klar. Deshalb versucht die sog. Provenienzforschung, den Sachverhalt im Einzelnen zu klären. Viele Museen hier sehen die nicht als ihre Kernaufgabe, sondern betreiben sie nur mit extra Förderung.

Dazu H.Parzinger (Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) – was für ein Name in diesem Kontext): 

"Es braucht auch natürlich irgendwie eine Stelle, an der man (...) Anträge für Provenienzforschungsprojekte in Bezug auf völkerkundliche Sammlungen stellen kann.

Man kann von den Museen nicht immer alles erwarten, sie sollen alles aus dem bestehenden Etat und dem bestehenden Personalstamm leisten." 

Soviel zur Relevanz, die den Themen Provenienz und Restitution eingeräumt wird. deutschlandfunk.de/parzinger-zur-…

Die SPK ist währenddessen damit beschäftigt, das Humboldt Forum (sic) hochzuziehen, in dem unterschiedliche, überwiegend ethnographische Sammlungen unterkommen sollen. Also genau die, bei denen eine Diskussion über die Herkunft der Objekte essentiell wäre.

Und genau da hagelt es Kritik, z.B. von Bénédicte Savoy, die ihren Sitz im Beirat des Forums krachend hinwarf. Aus einem Interview mit dem Tagesspiegel: 

300 Jahre Sammeltätigkeit „mit all den Schweinereien und Hoffnungen, die damit verbunden sind, (...) das ist Europa“.

Leider sei das Ganze wie Atommüll unter einer Bleidecke begraben (...). Das Humboldt-Forum ist wie Tschernobyl“."
tagesspiegel.de/kultur/streit-…

Horst Bredekamp, einer der Gründungsdirektoren, antwortete mit seiner Variante der Vogelschiss-Diskussion: Die Berliner Sammlungsgeschichte umfasse immerhin 460 Jahre und es hätte "nur" 34 Jahre deutsche Kolonialherrschaft gegeben:

"Es ist ein Spiel, die Kolonialzeit in den Mittelpunkt zu stellen." 
Da kann oder will wohl jemand die Komplexität des Kolonialismus-Ära nicht verstehen (und hat es trotzdem zur Professur gebracht).

deutschlandfunk.de/humboldt-forum…

Im Gegenteil, laut Bredekamp ist das Humboldt Forum "ein Modell des Museums des 21. Jahrhunderts". Tatsächlich erstickt es im Mief der kolonialistisch, paternalistisch, pseudo-schöngeistigen Tradition des Fachs.

Beispiel gefällig? Entgegen des ursprünglichen Senatsentwurfs für das Humboldt Forum prangt auf der Kuppel seit drei Wochen ein riesiges, goldenes Kreuz. 

P>rbb24.de/kultur/beitrag…

Es trägt die Inschrift: "Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind." 

Auf einem Gebäude, in dem gestohlene Objekte aus aller Welt versammelt sind. Man möchte kotzen. sueddeutsche.de/kultur/toleran…

Das Kreuz wurde gespendet und ist, o Ironie, einem richtigen Otto gewidmet: Dem Gründer des Otto Versandhauses. 

tagesspiegel.de/kultur/eine-ni…

Wiederholte Male kam der Konzern und Subunternehmer wegen Kinderarbeit und ausbeuterischen Geschäftspraktiken in die Schlagzeilen. ➡️画de.wikipedia.org/wiki/Otto_Grou…

Nichts zwang die Verantwortlichen des Humboldt Forums, die Spende anzunehmen. Sie hätten auch versuchen können, in Absprache mit der Spenderin die Gelder in die Provenienzforschung fließen zu lassen, deren finanzielle Ausstattung sie so beklagen.

Aber nein: Lieber setzen sie ihrem hausgemachten Kolonialismus die goldene Krone auf. 

Das Humboldt Forum und viele andere Museen brauchen Diskussion, unsere Kritik und unseren Widerspruch - und die Debatte über Raubkunst kann nur der Anfang sein. 

dw.com/en/berlin-muse…