Merz und Homophobie

Kevin Kühnert (@KuehniKev): "Die sexuelle Orientierung geht die Öffentlichkeit nichts an, solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft. An der Stelle ist für mich allerdings eine absolute Grenze erreicht.“

Das sagt @_FriedrichMerz im September 2020. Ein Thread.

Kevin Kühnert (@KuehniKev): Die Aussage, die ungefragt eine Assoziationskette zwischen Homosexualität und Kindesmissbrauch schafft, ist ein Klassiker. 2018 sagte auch Erika Steinbach im Kontext von Homosexualität:

„Es interessiert mich nicht, wer mit wem schläft. Es sei denn, es geht um Kindesmißbrauch!“

Kevin Kühnert (@KuehniKev): Vergleichbar #AKK 2018 zur #Ehefüralle:

„Wenn wir diese Definition öffnen in eine auf Dauer angelegte Verantwortungspartnerschaft zweier erwachsener Menschen, sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen."

Kevin Kühnert (@KuehniKev): Sie alle sollten oder wollten sich im Kontext von Fragen rund um Homosexualität äußern und nahmen bei erster Gelegenheit die Abbiegung  zu Pädophilie/Kindesmissbrauch, Verwandtenheirat bzw. Vielehen.

Zufall? Blöd gelaufen? Ich glaube nicht.

Kevin Kühnert (@KuehniKev): Es wäre naiv zu glauben, die drei hätten einfach mal eine grundsätzliche Bemerkung zu Fragen der Sittlichkeit machen wollen, die sie jedoch explizit nicht in Zusammenhang mit den vorherigen Ausführungen zur Homosexualität verstanden wissen wollten.

Kevin Kühnert (@KuehniKev): Dafür müssen wir uns die besagten Zitate einfach mal als Antworten auf ganz andere Fragen vorstellen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie absurd sie eigentlich sind, sofern sie nicht homophob zu verstehen sein sollen. Drei Beispiele:

Kevin Kühnert (@KuehniKev): „Als Ihre Tochter den 1. Freund vorstellte, wie haben Sie reagiert?“

"Die sex. Orientierung geht die Öffentlichkeit nichts an, solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft. An der Stelle ist für mich allerdings eine absolute Grenze erreicht“

Kevin Kühnert (@KuehniKev): „Herr Laschet hat am vergangenen Wochenende geheiratet. Haben Sie seine Frau bereits kennengelernt und wie nehmen Sie die beiden wahr?“

„Es interessiert mich nicht, wer mit wem schläft. Es sei denn, es geht um Kindesmißbrauch!“

Kevin Kühnert (@KuehniKev): „Sie, kinderlos, 62, heiratet ihn, kinderlos, 59. Was denken Sie?“

„Wenn wir diese Definition öffnen [...] sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen."

Kevin Kühnert (@KuehniKev): Natürlich würde das auf diese Fragen niemand antworten. Solche Antworten kommen dann zustande, wenn manche Konservative einen kurzen Einblick in ihr Seelenleben gewähren, in dem alles neben „Mama, Papa und Kinderwunsch“ nur  in Grauschattierungen des Ekels hierarchisiert wird.

Kevin Kühnert (@KuehniKev): Einen Hinweis darauf gibt es auch in Merzens Antwort, wonach eine „absolute Grenze“ erreicht sei, sobald es um „Kinder“ gehe. Was ist denn die Vorstufe zur „absoluten Grenze“? Eine relative Grenze? Abstoßend, aber nunmal leider legal?

Kevin Kühnert (@KuehniKev): So laviert jemand, der nicht kaschieren kann, dass er mit der Normalisierung des Umgangs mit Homosexualität eigentlich nichts anfangen kann. Insbesondere schwule Männer kennen dieses Phänomen vom Evergreen: „Ist mir doch egal, ob der schwul ist, solange er mich nicht anpackt.“

Kevin Kühnert (@KuehniKev): Alle diese ungebetenen Hinweise und Beteuerungen irritieren auf einer politischen Ebene. Daraus kann jede und jeder eigene Schlüsse ziehen.

Schlimmer ist: Sie verletzen und verunsichern, weil sie sexuelle Orientierungen und (therapierbare) krankheitswertige Störungen vermengen.

Kevin Kühnert (@KuehniKev): Auch in 2020 leben viele Homosexuelle ihre Sexualität im verborgenen, werden nach dem Comming Out zuhause rausgeschmissen, im Ort gemieden, in der Schule gemobbt, aus der Fußballmannschaft gedrängt. Auch in Deutschland. Aussagen wie von Merz konservieren die Weltbilder dahinter.

Kevin Kühnert (@KuehniKev): Homosexualität ist weder Lifestyle noch Jugendkultur. Daher ist es für eine*n Politiker*in auch komplett egal, ob diese*r sie gut oder schlecht findet, denn sie ist eh nicht änderbar. Alles, was man von Politiker*innen diesbezüglich wissen muss, ist: Gleiche Rechte ja oder nein?

Kevin Kühnert (@KuehniKev): Wer gerne Kanzler werden möchte, der sollte eine Sprache sprechen, die in sensiblen Feldern von Antidskriminierung und der Gleichberechtigung aller Menschen keinen Platz für Interpretationen und doppelte Böden lässt. Friedrich Merz beherrscht diese Sprache nicht.