Martin Sonneborn vorgestern bei FridaysForFuture an den Rheinwiesen in Neuss

Liebe Schüler hier in Dings, liebe Insassen von Nordrhein-Westfalen, ich grüße alle Schulleugner und Klimaschwänzer! 

Ich bin eigentlich hierher gekommen, um mich zu entschuldigen. Wir im EU-Parlament haben unter der Leitung von Dr. Axel Votz das Internet kaputtgemacht – mit Artikel 13. 

Wenn aber das Internet nicht mehr geht, müssen die Kinder raus an die frische Luft. Und deswegen dürfen wir jetzt nicht auch noch das Klima kaputtmachen. Obwohl ich persönlich natürlich für den Klimawandel bin. Ich bin Klimawandel-Profiteur, ich wohne in Belgien, da wird es jetzt schön warm und trocken.

Wenn ich zurückdenke an meine eigene Schulzeit, werde ich ganz sentimental: Wir hatten ja nichts damals nach dem Krieg, keine Hausaufgabenhilfe im Internet, kein WhatsApp - nicht einmal gute Noten. 

Und auch keinen Missbrauch, obwohl ich eine Schule in kirchlicher Trägerschaft besuchte. (Harald Schmidt hat einmal gesagt, wir seien früher einfach zu hässlich gewesen; er hat wohl Recht.) 

Andererseits hat das auch niemals etwas ausgemacht. In diesem Land kann man selbst ohne Abitur Influencer werden, Taxifahrer (wie Joschka Fischer seinerzeit) oder mit miesem Abi-Durchschnitt Bundesvorsitzender einer obskuren, populistischen Partei namens Die PARTEI, wie ich selbst. 

Ich hatte einen Notenschnitt von 3,6, aber ich rede nicht drüber.

Ihr seid heute hier, weil ihr ein gewisses Interesse an der Zukunft habt. 

Dieses Verhalten erscheint mir nachvollziehbar, zumal in eurem Alter. Für mich ist so eine Umgebung allerdings eher ungewohnt. 

An meinem Arbeitsplatz im Europäischen Parlament habe ich oft mit Personen zu tun, die diese Lebensphase überwunden haben - und ihre Zukunft schon hinter sich. 

Diese Leute können sich allenfalls auf eine Maßnahme gegen die globale Erwärmung verständigen: Zahl und Höhe der Weltklimagipfel müssen steigen. Idealerweise schneller als der Meeresspiegel. 

Was die Reduzierung von Treibhausgasen betrifft, verfährt man dort nach dem Motto: Ja, es stimmt, Erdöl und Kohle sind klimagefährdend. Deshalb muss man sie so lange verbrennen, bis davon nichts mehr übrig ist.

 Ich will euch hier nicht Honig um den Bart, also um die Milchbärte schmieren. Das kann die Bundeskanzlerin besser. Frau Merkel regiert seit fast 14 Jahren und findet es toll, dass jetzt endlich mal jemand gegen ihre Politik protestiert.

Statt plumper Schleimerei – Ihr dürft ja sowieso alle noch nicht wählen, Smiley! - habe ich eine Anregung. Denn irgendwo habe ich gelesen, dies sei die letzte Klimademo vor der Sommerpause. 

Sommerpause? Wozu? 

Klar, die Schule zu bestreiken ist in Ordnung und hat euren Anliegen viel Aufmerksamkeit gebracht. Aber der konkrete Klimaeffekt ist doch eher gering. Er beschränkt sich darauf, dass weniger Kohlendioxid frei wird, wenn ihr im Geschichtsunterricht nicht dauernd gähnt.

Mein Vorschlag ist, auch die Ferien zu bestreiken. 

Keine Sorge: Das bedeutet nicht, dass ihr in dieser Zeit zur Schule gehen sollt. 

Sondern folgendes: Laut der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen hat sich die Anzahl von Flugpassagieren, die jünger sind als 30 Jahre, im vergangenen Jahrzehnt um fast die Hälfte erhöht. So stark ist keine andere Jetsetter-Altersgruppe gewachsen. 

Darunter sind wahrscheinlich sehr viele Schüler, die von ihren Eltern in den Ferien zu Flugreisen gezwungen werden. 

Urlaubsstreiks würden dem Klima konkret helfen. Es gibt da Tricks. Man kann Flugtickets und Reisepässe verbummeln. Was spricht eigentlich gegen eine plötzlich auftretende Übelkeit am Abreisetag? 

Wer optimistisch ist, versucht seine Familie davon zu überzeugen, dass es nicht unbedingt New York sein muss. Es gibt auch prickelnde Orte, die man von Düsseldorf aus mit dem Fahrrad erreichen kann, zum Beispiel Leverkusen, Köln, Krefeld oder Grevenbroich. 

Ein Insidertipp für die etwas Älteren: Statt auf Mallorca kann man sich auch in der Fußgängerzone von Herne gepflegt betrinken – und, ganz ehrlich, in Herne gibt es mehr Gründe dafür. 

Wer unbedingt eine Auslandsreise in eine exotische, fremdartige Welt unternehmen will, fährt am besten nach Ostdeutschland, und zwar, auch wegen der Abenteuerfaktors, mit der Bahn.

Jetzt aber geht hinaus in die Welt - bzw. in die Fußgängerzone von Herne - meidet Winnenden und Erfurt, lacht über den dummen Verkehrsminister Andy B. Scheuert und „Fotzenfritz“ Merz, studiert das Leben, macht Euch nicht zuviel Stress. Sucht gelassen und in aller Ruhe etwas, das Euch Spaß macht und das man später zu einem ordentlichen Beruf ausbauen kann. Geht nicht zu „Germany’s next Top Model“ oder „Deutschland sucht den SuperDepp“! Benehmt Euch und achtet die Gesetze! Seid höflich zu alten Leuten und grüßt selbst den hessischen Kultusminister Lorz – der gerade härtere Strafen für Schulschwänzer angedroht hat - , wenn Ihr ihn später mal mit seinem getunten Rollator auf der Straße trefft. 

PS: Und noch ein Gruß an den hessischen Kultusminister: Lorz, wir wissen, wo Dein (vermutlich überdimensioniertes) Auto steht...

Zum Abschluss noch zwei Positionen der PARTEI, die für Schüler und Studenten interessant sein könnten:

G1-Schulsystem

Abiturvorbereitungen und -prüfungen sind viel zu langwierig und aufwendig geworden, deshalb fordern wir die Wiedereinführung des Notabiturs: Schüler werden Anfang Juni eine halbe Stunde an der Tafel geprüft, die Lösungen werden vorher im Internet veröffentlicht. Anschließend: chillen.

Elitenförderung

Bologna, Bachelor, Master – der ganze verschulte Quatsch wird abgeschafft. Studenten sollen wieder in Ruhe 15 Semester studieren und Zeit haben, sich politisch und gesellschaftlich zu interessieren. Merke: Unter 30 sollte man sich vor geregelter Arbeit drücken!