Die Zeiten ändern sich

/ Natascha Strobl
/ 27. Januar

Für Progressive gibt es ja im Moment wenig zu lachen im deutschsprachigen Raum. Da lohnt der Blick über den Atlantik, wo Bernie Sanders erneut bei den Vorwahlen der demokratischen Partei antritt. Er holt in den letzten Wochen gegenüber dem lange unbestrittenen Platzhirschen und Kandidaten des Parteiestablishments Joe Biden mächtig auf. Es mag sein, dass es am Ende wieder nicht reicht.

Aber von der Kommunikation von Sanders (die ja nur Ausdruck der grundsätzlichen politischen Herangehensweise ist) können linke Gruppen und vor allem Parteien überall etwas lernen. Ein Beispiel ist dieses aktuelle Kampagnen-Video:

Ein Video gewinnt keine Wahl. Ein Video ist vor allem Selbstversicherung der eigenen AnhängerInnen. Aber es ist auch ein verdichteter Politik-Ansatz. Und dieser zeigt, wie einfach es gehen könnte. Schauen wir es uns einmal an.

Der Rahmen. Der Rahmen ist eine Rede des Kandidaten selbst. Nicht irgendeine Rede, sondern die tonangebende Rede in seinem Wahlkampf, die er in New York City, seiner Geburtsstadt, gehalten hat. Die Botschaft ist eine simple und hoffnungsvolle: Dreht euch um, findet euch irgendeine Person in der Menge, die ihr nicht kennt. Würdet ihr für diese Person genauso kämpfen, wie für euch selbst? Das ist das genaue Gegenstück zur "Ich, Ich, Ich"-Politik der Trumps und anderer radikalisierter konservativer Parteien. Es geht nicht um eine Person, es geht um uns alle. Wir kämpfen gemeinsam. Es geht um Solidarität.

Das Lied. Der Song ist ein Cover des alten Bob Dylan-Klassikers "The times they are a-changing" (übersetzt: "Die Zeiten ändern sich"). Einerseits ist es ein Verweis auf die gesellschaftlichen Kämpfe der 60er und 70er - mit all ihren progressiven, gesellschaftlichen Umwälzungen. Es birgt also Potenzial für Nostalgie und erlaubt älteren Leuten, einen Wiedererkennungswert. Auch Sanders selbst, der ja an all diesem Kämpfen schon auf der richtigen Seite der Geschichte beteiligt war. Andererseits ist die Neuinterpretation und vor allem die Kontrastierung mit aktuellen Bewegungen ein Verweis in die Zukunft.

Die Bewegungen. Der Kern der Bewegung rund um Bernie Sanders sind vor allem sehr junge Leute. Diese werden auch im Video gezeigt. Es geht um Veränderung, es geht um eine bessere Zukunft. Alle kommen in diesem Video vor. Vom "March For Our Lives" (wo sich vor allem Jugendliche für Schusswaffengesetze stark machen) über den "Women's March" (dem großen Frauenprotest nach der Amtsübernahme von Donald Trump) bis zum "Sunrise Movement" (für Klimaschutz). Das unterstreicht auch den Wahlslogan und das Politikverständnis dahinter - es geht nicht darum, eine einzelne Person in ein Amt zu setzen, es geht um Gesellschaftsveränderungen. Es geht um uns alle.

Die Abgeordneten. Sanders konnte sich die Wahlempfehlungen einiger der umtriebigsten und bekanntesten Abgeordneten sichern. Dazu zählt „The Squad“, eine Handvoll junger Erstabgeordneter, die für progressive Politik stehen und viele junge Fans haben. Am bekanntesten ist sicher Alexandria Ocasio-Cortez, die einstt eher unerwartet ihren Kongress-Sitz gewonnen hat und seitdem zu einer Hoffnungsfigur der Linken weltweit geworden ist. Sie und ihre Kolleginnen werden prominent im Video gezeigt, was gleichzeitig ein Zukunftsverweis ist. Sanders ist nicht der Jüngste, aber die zukünftigen Hoffnungsträgerinnen sind längst da.

Bernie Sanders. Neben seiner Rede werden auch immer wieder Bilder aus seiner langen Karriere gezeigt, die unterstreichen sollen, dass er schon immer für linke progressive Politik gestanden ist. Etwa, als er in den 60ern verhaftet wurde, als er gegen die "Rassentrennung" demonstrierte. Oder als er vor dem leeren Senat eine Rede gegen den Ersten Golfkrieg hielt, die zu dem Zeitpunkt niemand hören wollte, weil gegen Krieg sein eben unpatriotisch sei.

Ein Video ist ein Video. Und es gewinnt keine Wahl.

Aber dieses Video und die ganze Kampagne geben etwas, das Linken speziell auf der Wahlebene dringend fehlt: Zuversicht und Hoffnung.

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