Das englische Virus

The Binder Lab (@TheBinderLab): Ich hielt mich bislang etwas zurück, die „Britische #SARSCoV2 #Mutation“ angeht. Wieso? Weil wir einfach noch recht wenig wissen, was es damit auf sich hat. *Dass* es sie gibt und sie sich (in England) schnell verbreitet hat, das steht aber außer Frage. Das Wichtigste ⬇️

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The Binder Lab (@TheBinderLab): ❓Um was geht es ❓Das #Coronavirus ist ein RNA-Virus, d.h. seine Erbinformation besteht nicht aus DNA wie bei uns, sondern aus RNA. Und beim Vervielfältigen von RNA entstehen Fehler. RNA-Viren haben daher normalerweise eine sehr hohe Mutationsrate und nur ein gewisser Teil 2/23

The Binder Lab (@TheBinderLab): ihrer Nachkommen sind so fehlerfrei (besser: -arm), dass sie sich weitervermehren können. #Corona-Viren sind hier eine Ausnahme, weil sie– ähnlich wie bei der DNA-Vervielfältigung– Korrekturmechanismen besitzen, die „Abschreibe-Fehler“ erkennen und korrigieren können. Darum

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The Binder Lab (@TheBinderLab): ist ihre Erbinformation (Genom) für RNA-Maßstäbe erstaunlich stabil. Für die Entwicklung einer Impfung ist das ein Segen, da somit auch die Virus-Oberfläche, gegen die das Immunsystem dabei Antikörper entwickelt, unverändert bleibt (siehe Interview).

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https://www.rnz.de/politik/hintergrund_artikel,-corona-impfstoff-ich-wuerde-mich-mit-mrna-impfen-lassen-_arid,597493.html

The Binder Lab (@TheBinderLab): Komplett verhindern können aber auch Coronaviren Mutationen nicht– wenn ein einzelnes Virus in der Zelle seine RNA viele tausend male „abschreibt“, dann ist das fast unvermeidlich. Wenn so eine Mutation die Überlebensfähigkeit des Virus auch nur ein wenig verschlechtert, dann

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The Binder Lab (@TheBinderLab): Haben diese mutierten Nachkommenviren keine Chance gegen die fitteren, nicht mutierten: dank exponentiellen Wachstums (im Körper) gibt es am Ende eine gewaltige Überzahl an fitten, nicht mutierten Viren und fast nur die werden bei Ansteckung an die nächste Person weitergegeben.6/

The Binder Lab (@TheBinderLab): Wenn eine Mutation keinen nennenswerten Einfluss auf die Vermehrungsrate des Virus hat, dann hat sie zumindest eine gewisse Chance sich nennenswert zu vermehren und weitergegeben zu werden. Es ist dann einfach Zufall, welche Virusversion bei der Ansteckung übertragen wird!

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The Binder Lab (@TheBinderLab): So kommt es dazu, dass sich über die Zeit verschiedene Virusvarianten verbreiten, die sich in wenigen „Buchstaben“ ihres Erbguts unterscheiden. Wenn sich zu einer bestimmten Mutation eine weitere gesellt, weiß man, wenn man das neue Virus findet, dass es von einem Vorläufer

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The Binder Lab (@TheBinderLab): abstammen muss, der eben diese erste Mutation trug. Auf diese Weise kann man dann „Ahnenforschung“ betreiben und Stammbäume erstellen und ziemlich genau sehen, wie sich das Virus über die Welt ausgebreitet hat. 

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https://nextstrain.org/ncov/global?c=region https://twitter.com/TheBinderLab/status/1340966503483650048/photo/1

The Binder Lab (@TheBinderLab): Wenn in sehr seltenen Fällen eine Mutation nun aber sogar einen Vorteil für das Virus mit sich bringt– schnellere Vermehrung, bessere Infektion neuer Zellen, weniger Angriffsfläche für das Immunsystem– dann folgt daraus, dass sich die neue Variante sogar überproportional 

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The Binder Lab (@TheBinderLab): gegen die nicht mutierten Vorgänger durchsetzen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass die neue Variante bei Ansteckung übertragen wird, ist also sehr hoch. 

❓Wie ist das nun bei der neuen „britischen Variante“❓Kurz um: man weiß es noch nicht sicher!

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The Binder Lab (@TheBinderLab): Erstaunlich ist, dass sie sich nicht nur durch *einen* Fehler von den anderen in UK zirkulierenden Varianten unterscheidet, sondern gleich durch *siebzehn*! Dadurch wird sie zu einem sehr weit herausragenden Ast im Stammbaum. Sicher ist auch, dass die Variante sich

12/23 https://twitter.com/TheBinderLab/status/1340966513596096517/photo/1

The Binder Lab (@TheBinderLab): in England sehr weit ausgebreitet hat. Ob das etwas über ihre Ansteckungsfähigkeit aussagt ist nicht ganz sicher– es könnte auch ein Zufallsprodukt sein, we oben beschrieben, dass dann, z.B. bei einem großen #superspreader Ereignis direkt auf eine hohe Anzahl Personen

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The Binder Lab (@TheBinderLab): übertragen wurde, die sie dann ihrerseits weiterverteilt haben. Durch die Neigung von #SARSCoV2 zu solchen massiven lokalen Ausbrüchen (hohe Überdispersion) spielt der Zufall häufig eine überraschend entscheidende Rolle; siehe auch diesen spannenden Artikel: 

14/23 https://twitter.com/thebinderlab/status/1312872854439038979

The Binder Lab (@TheBinderLab): Es kann aber eben auch sein– und ist im aktuellen Fall im UK aus verschiedenen Gründen nicht unwahrscheinlich–, dass die Variante einen Vorteil hat bei der Infektion neuer Personen. Gleich drei Mutationen betreffen nämlich das Oberflächenmolekül #Spike, das für den Eintritt

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The Binder Lab (@TheBinderLab): die Wirtszelle verantwortlich ist. Und für eine dieser Mutationen wurde bereits im Labor gezeigt, dass sie die Bindung von Spike und damit vom gesamten Virus an die Wirtszelle deutlich erhöht und eine Infektion damit wahrscheinlicher macht. Dadurch erhält die Variante einen

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The Binder Lab (@TheBinderLab): weiteren Vorteil gegenüber der anderen zirkulierenden Varianten. ❓Ist die neue Variante also gefährlicher❓Auch das kann noch nicht beantwortet werden. Denkbar wäre, wie beschrieben, dass sie einfacher auf neue Menschen übertragen werden kann. Dadurch erhöht sich 

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The Binder Lab (@TheBinderLab): also der sog. R-Wert, also die Anzahl an Personen, die ein/e Infizierte/r ansteckt. Und damit beschleunigt sich auch der potentiell exponentielle Anstieg bei den Neuinfektionen. Aus diesem Grund beschloss das UK, einen noch strengeren #Lockdown zu verhängen: höherer R-Wert 

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The Binder Lab (@TheBinderLab): erfordert stärkere Kontaktbeschränkungen, um die Ausbreitung zu verhindern / verlangsamen. Aktuell basiert das auf (begründeten) Befürchtungen, aber wenn man nichts tut, bis sich das bestätigt, könnte sich das Virus eben schon global ausbreiten. 

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The Binder Lab (@TheBinderLab): ❓Und wie sieht es mit Krankheit und Tot aus❓Auch hier ist die Datenlage noch nicht gründlich genug ausgewertet, um  definitive Antworten zu geben. ❗️Allerdings: es scheint so zu sein, dass die neue Variante *keine* schwereren #COVID19-Verläufe verursacht❗️Zu bedenken ist

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The Binder Lab (@TheBinderLab): aber, dass es bei höhem R-Wert der Variante ohne Gegenmaßnahmen zu stark steigenden Fallzahlen kommen würde (siehe England), und dadurch die Zahl an Intensivpatienten und Toten im gleichen Maße ansteigen würde. Auf diesen einfachen Zusammenhang macht u.a. @ViolaPriesemann 

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The Binder Lab (@TheBinderLab): eindringlich aufmerksam und fordert– zusammen mit vielen anderen führenden Wissenschaftlern– eine europäisch abgestimmte Strategie zum Drücken der Fallzahlen insgesamt. Damit wäre auch die neue Variante unter Kontrolle zu bringen: 

22/23 https://twitter.com/violapriesemann/status/1340077129338396678

The Binder Lab (@TheBinderLab): Soviel einmal zur Einordnung der aktuellen Schlagzeilen zum „mutierten #Coronavirus“! Wer sich weiter informieren mag, dem sei der Thread und zugehörige @ScienceMagazine-Artikel von @kakape wärmstens empfohlen:

The Binder Lab (@TheBinderLab): Quelle: https://virological.org/t/preliminary-genomic-characterisation-of-an-emergent-sars-cov-2-lineage-in-the-uk-defined-by-a-novel-set-of-spike-mutations/563