20 Jahre »Oscars für Überwachung«

Mario Sixtus, Foto von padeluun, CC BY-SA 3.0 de 

In diesem Jahr wurden die »Big Brother Awards«, von manchen auch »Oscars für Überwachung« genannt, zum mittlerweile 20. Mal verliehen. Über die Vergabe des Negativpreises entscheidet eine Jury aus Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtlern, der Rena Tangens und Padeluun vom Bielefelder Datenschutzverein »Digitalcourage«, der Rechtsanwalt und Publizist Rolf Gössner von der »Internationalen Liga für Menschenrechte«, der Arbeitsrechtler Peter Wedde von der Frankfurt University of Applied Sciences, der ehemalige Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, sowie Frank Rosengart vom »Chaos Computer Club« angehören. 

Wirkungslos war die Auszeichnung schon in der Vergangenheit nicht. Vielmehr machte die Verleihung Rabattkarten, sogenanntes Scoring, Mautkameras, Farbkopierer und Handyüberwachung als Gefahr für Grundrechte und Privatsphäre bekannt — und das mit konkreten Folgen. So stoppte etwa die Firma Tchibo 2004 nach der Verleihung eines »Big Brother Awards« den Handel mit Kundendaten. Nachdem die Computer Science Corporation (CSC) 2014 mit dem Negativpreis ausgezeichnet worden war, wurden die Vergaberichtlinien für die Aufträge von öffentlichen Stellen  geändert, so dass Firmen mit dieser Art von Geheimdienstkontakten dabei nicht mehr berücksichtigt werden. Etliche Bundesländer kündigten daraufhin Ihre Verträge mit CSC.

»Als wir 2000 die ersten »Big Brother Awards« verliehen haben, dachten wir, dass wir nach fünf, spätestens aber zehn Jahren alle Themen durch hätten. Aber es gibt Immer wieder neue«, stellte Rena Tangens im Vorfeld der diesjährigen Preisverleihung fest. 

Am Freitag adelte auch der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) die Preise mit einem Grußwort. 20 Jahre »Big Brother Awards« seien ein »Anlass zu feiern«. Zugleich warnte der FDP-Politiker vor der »Schattenseite« der digitalen Revolution, die alle Lebensbereiche erfasse. Diese bedeute einen auf die Selbstbestimmung des Menschen. Die Freiheit Ist in Gefahr. Die Menschenwürde ist in Gefahr. Und Internet bedeutet auch Angriff auf die demokratischen Strukturen in unserer Gesellschaft. Sie können manipuliert werden, und sie werden manipuliert«, so Baum. Die Frage laute: »Wie wollen wir künftig leben, als selbstbestimmte Bürger oder als Untertanen einer smarten Diktatur?« Genau hier setzten die »Big Brother Awards« an und schafften Bewusstsein dafür, dass die Menschen begreifen, dass »wir diese Entwicklung bändigen müssen, dass wir sie gestalten müssen, dass wir sie ethischen Grundsätzen unterwerfen müssen«, so der FDP- Politiker. 

Junge Welt, 21.9.2020

PS:

Auch die Vergabe des Preises an die Kultusministerkonferenz 2006 war erfolgreich.