rp 18: 42. warum wir nach fragen, nicht nur nach antworten suchen müssen, Felix Schwenzel [Essentielles Update]

Abschrift des Vortrags


Essentielles Update: Warum beginnt der Titel des Vortrags mit „42“?

Es gibt selbstverständlich viele Probleme, die mit dem Leben zusammenhängen; von denen sind einige der bekanntesten:

Warum wird der Mensch geboren?, Warum stirbt er? und Warum verbringt er so viel von der Zeit dazwischen mit dem Tragen von Digitaluhren?

Einer Rasse hyperintelligenter, pandimensionaler Wesen hing es vor vielen, vielen Millionen Jahren dermaßen zum Halse raus, sich ewig über den Sinn des Lebens rumzuzanken, daß sie beschlossen, sich auf ihre vier Buchstaben zu setzen und alle ihre Probleme ein für allemal zu lösen.

Und zu diesem Zweck bauten sie sich einen kolossalen Supercomputer, der so wahnsinnig intelligent war, daß er, noch ehe seine Datenspeicher überhaupt miteinander verbunden waren, mit „Ich denke, also bin ich“ die ersten Kernsätze von sich gegeben hatte.

Am Tage des Großen Anknipsens kamen zwei dezent gekleidete Programmierer mit Aktentaschen und wurden ohne großes Aufhebens in das Büro geführt. Es war ihnen bewußt, daß sie an diesem Tage ihr ganzes Volk in seinem erhabensten Augenblick repräsentierten, aber sie gaben sich ruhig und gelassen, als sie ehrfurchtsvoll vor dem Schreibtisch Platz nahmen, ihre Aktentaschen öffneten und ihre in Leder gebundenen Notizbücher rausnahmen. Ihre Namen lauteten Lunkwill und Fook.

Das allerfeinste Summen, das man sich denken kann, zeigte an, daß der gewaltige Computer nun voll betriebsbereit war. Nach einer kurzen Pause sprach er sie mit seiner Stimme, die kräftig, volltönend und tief war, an.

Er sagte: »Wie heißt die große Aufgabe, für die ich, Deep Thought, der zweitgrößte Computer im Universum von Zeit und Raum, erschaffen worden bin?«

»Oh, Computer Deep Thought«, sagte Lunkwill, »die Aufgabe, die wir uns für dich ausgedacht haben, ist die: Wir möchten, daß du uns ...«, er machte eine Pause, »... die Antwort sagst!« »Die Antwort?« fragte Deep Thought. »Die Antwort worauf?«

»Auf das Leben!« drängte Fook.

»Auf das Universum!« sagte Lunkwill. »Auf alles!« sagten beide im Chor.

Deep Thought dachte eine Weile schweigend nach. »Knifflig«, sagte er schließlich.

»Aber du schaffst es doch?« Wieder eine bedeutungsvolle Pause. »Ja«, sagte Deep Thought, »das schaffe ich.«

»Es gibt eine Antwort?« fragte Fook atemlos vor Aufregung. »Eine einfache Antwort?« setzte Lunkwill nach.

»Ja«, sagte Deep Thought. »Auf das Leben, das Universum, auf alles. Da gibt es eine Antwort drauf. Aber«, fügte er hinzu, »ich muß darüber nachdenken.«

Fook guckte ungeduldig auf seine Uhr. »Wie lange etwa?« fragte er. »Siebeneinhalb Millionen Jahre«, sagte Deep Thought.

Lunkwill und Fook vermieden es, sich anzusehen.

»Siebeneinhalb Millionen Jahre ...!« schrien sie im Chor.

»Ja«, tönte Deep Thought, »ich sagte doch, ich muß darüber nachdenken, oder?«

Siebeneinhalb Millionen Jahre später...

Ein Mann stand vor dem Gebäude, das den Platz deutlich beherrschte, auf einem bunt geschmückten Podium und sprach über eine Lautsprecheranlage zu der Menge.

»Liebe Freunde, die ihr hier im Schatten von Deep Thought wartet!« rief er. »Die Zeit des Wartens ist vorüber!«

»Siebeneinhalb Millionen Jahre hat unser Geschlecht auf diesen großen und hoffnungsvollen Augenblick der Enthüllung der Wahrheit gewartet!« rief der Oberjubler. »Den Tag der Antwort!« Die hingerissene Menge brach in Hurras aus.

Zwei schlicht gekleidete Männer (Luunquoal und Phouchg) saßen ehrfurchtsvoll vor dem Terminal und warteten.

»Vor fünfundsiebzigtausend Generationen brachten unsere Ahnen dieses Programm ins Rollen«, sagte der zweite, »und nach dieser langen Zeit werden wir die ersten sein, die den Computer wieder sprechen hören.«

»Guten Morgen«, sagte Deep Thought endlich.

»Äh ... Guten Morgen, oh Deep Thought«, sagte Luunquoal ängstlich, »hast du ... äh, das heißt ...«

»Eine Antwort für euch?« unterbrach ihn Deep Thought würdevoll. »Ja. Die habe ich.«

Die beiden Männer zitterten vor froher Erwartung. Ihr Warten war nicht vergeblich gewesen. »Es gibt tatsächlich eine?« hauchte Phouchg.

»Es gibt tatsächlich eine«, bestätigte Deep Thought.

»Auf alles? Auf die große Frage nach dem Leben, dem Universum und allem?«

»Ja.«

Beide Männer waren auf diesen Augenblick gedrillt worden, ihr Leben war eine einzige Vorbereitung auf diesen Moment gewesen, man hatte sie bereits bei ihrer Geburt als diejenigen ausgewählt, die der Antwort beiwohnen würden, aber selbst sie wurden gewahr, daß sie jetzt nach Luft schnappten und rumhampelten wie aufgeregte Kinder.

»Und du bist bereit, sie uns zu geben ?« drängte Luunquoal. »Das bin ich.«

»Jetzt?«

»Jetzt«, sagte Deep Thought.

Beide Männer leckten sich ihre trockenen Lippen.

»Allerdings glaube ich nicht«, setzte Deep Thought hinzu, »daß sie euch gefallen wird.« »Das macht doch nichts !« sagte Phouchg. »Wir müssen sie nur jetzt erfahren. Jetzt!« »Jetzt?« fragte Deep Thought.

»Also schön«, sagte der Computer und versank wiederin Schweigen. Die beiden Männer zappelten nervös hin und her. Die Spannung war unerträglich.

»Sie wird euch bestimmt nicht gefallen«, bemerkte Deep Thought.

»Sag sie uns trotzdem!«

»Na schön«, sagte Deep Thought. »Die Antwort auf die Große Frage ...« »Ja ...!«

»... nach dem Leben, dem Universum und allem ...«, sagte Deep Thought. »Ja ...!«

»... lautet ...«, sagte Deep Thought und machte eine Pause.

»Ja ...!«

»... lautet ...«

»Ja ...! ! ! ...? ? ?«

»Zweiundvierzig«, sagte Deep Thought mit unsagbarer Erhabenheit und Ruhe.

Es dauerte lange, sehr lange, ehe wieder jemand sprach. Aus den Augenwinkeln sah Phouchg unten auf dem Platz das Meer gespannter und hoffnungsvoller Gesichter.

»Jetzt werden sie uns wohl lynchen, was meinst du?« flüsterte er.

»Es war eine sauschwere Aufgabe«, sagte Deep Thought mit sanfter Stimme.

»Zweiundvierzig!« kreischte Luunquoal los. »Ist das alles, nach siebeneinhalb Millionen Jahren Denkarbeit?«

»Ich hab’s sehr gründlich nachgeprüft«, sagte der Computer, »und das ist ganz bestimmt die Antwort. Das Problem ist, glaub ich, wenn ich mal ganz ehrlich zu euch sein darf, daß ihr selber wohl nie richtig gewußt habt, wie die Frage lautet.«

Ein dumpfes, verblüfftes Schweigen kroch über die Männer weg, als sie erst den Computer anstarrten und dann sich.

»Naja, weißt du, es geht einfach um alles ... um alles«, schlug Phouchg schüchtern vor.

»Genau!« sagte Deep Thought. »Wenn ihr erstmal genau wißt, wie die Frage wirklich lautet, dann werdet ihr auch wissen, was die Antwort bedeutet.«

»Oh Gott, grauenhaft«, murmelte Phouchg, pfefferte sein Notizbuch in die Gegend und wischte sich eine winzige Träne aus dem Auge.

»Also schön, okay, okay«, sagte Luunquoal, »kannst du uns dann bitte wenigstens die Frage sagen?«

»Die Letzte aller Fragen?«

»Ja!«

»Nach dem Leben, dem Universum und allem?« »Ja!«

Deep Thought dachte einen Moment nach. »Knifflig«, sagte er.

»Aber du kannst sie uns doch sagen?« schrie Luunquoal. Deep Thought dachte wiederum lange darüber nach. Schließlich sagte er mit fester Stimme: »Nein.«

Die beiden Männer sanken verzweifelt auf ihre Stühle.

»Aber ich werde euch sagen, wer das kann«, sagte Deep Thought. Wie auf ein Kommando sahen beide nach oben. »Wer?«

»Sag es uns !«

»Ich spreche von keinem anderen, als von dem Computer, der nach mir kommt«, verkündete Deep Thought, und seine Stimme nahm wieder ihren gewohnten Predigtton an. »Ein Computer, dessen simpelste Funktionsparameter zu berechnen ich nicht würdig bin – und doch werde ich ihn euch entwerfen. Ein Computer, der die Frage nach der Letzten aller Antworten berechnen kann, ein Computer von so unendlicher und unerhörter Kompliziertheit, daß das organische Leben selbst einen Teil seiner Arbeitsmatrix bildet. Und ihr selbst werdet neue Gestalt annehmen und in den Computer steigen und sein Zehn-Millionen-Jahre- Programm steuern! Ja! Ich werde euch diesen Computer entwerfen. Und ich werde ihn euch auch benennen.

Und er soll heißen ... Die Erde.«


entnommen aus:

Adam, Douglas [1981]: „Per Anhalter durch die Galaxis“

Roger und Bernhard GmbH & Co.; Verlags KG

München: S. 151 ff.