Männer, wir müssen reden

Journelle

Männer, wir müssen reden

Viele Jahre meines Lebens habe ich mich gerühmt, unkompliziert zu sein. Ich mochte es, eine Person zu sein, die vieles hinnimmt, lange freundlich bleibt und ungern Konflikte austrägt. Das ändert sich immer mehr.

Ich bin wütend. Sehr wütend. Auf Männer und darauf, dass sie wie selbstverständlich ihre Privilegien einfordern und nicht bereit sind, zu teilen. Und wie Alena Schröder, schreibt ist das auch gut so.

Jahrelang bin ich davon ausgegangen, wenn ich nur fleißig genug arbeite, bekomme ich auch ein Stück vom Kuchen der Gleichberechtigung ab. Aber dem ist nicht so. Klar steht auf dem Papier, dass wir gleichberechtigt sind. Aber welcher Mann wurde jemals in einem Jobinterview nach seinen Kinderwünschen gefragt?

Wie oft bin ich ausgeschlossen von bestimmten Tätigkeitsfeldern, weil ich Teilzeit arbeite? Vor allem überhaupt Teilzeitarbeit, was für ein Hohn dieses Wort ist. In meiner Arbeitszeit schaffe ich locker das Pensum eines Vollzeitjobs und das sehe ich nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen Freundinnen und Kolleginnen. Einen tollen Text darüber, dass wir umdenken müssen, hat Juramama geschrieben.

Vor allem habe ich zwei Jobs. Ich kümmere mich nämlich auch noch um die Familie. Würde die Stunden, die ich jeden Tag im Jahr putze, fahre, abhole, tröste, wasche, einkaufe, sorge usw bezahlt werden, käme ich locker auf 3.000 Euro ohne Feiertagszuschlag. Ich arbeite keine verdammte Teilzeit, ich arbeite in zwei Vollzeitjobs von dem der eine nicht bezahlt wird und es kaum jemand gibt, der das skandalös findet. Wenn alle Menschen – und es sind nunmal mehr Frauen – aufhören würden unbezahlt oder unterbezahlt Carearbeit zu leisten, würden wir uns ganz schön umschauen. Das gesamte Gesellschaftsgerüst, dass auf der Bereitschaft von Frauen basiert, ihre Zeit und Arbeitskraft kostenlos zur Verfügung zu stellen, würde zusammenbrechen.

Als „Teilzeitkraft“ komme ich in den meisten Unternehmen nicht als Führungskraft in Frage. Eine Quote ist nicht gewünscht, es kommen neben der fehlenden Präsenz von Teilzeitkräften im Unternehmen auch Argumente wie Kompetenz und Erfahrung. Auch hier merke ich immer wieder, wie eine große Wolke Wut in mir aufsteigt. Nur selten habe ich in meinem Leben Führungskräfte erlebt, die tatsächlich durch Kompetenz und Erfahrung aufgefallen wären. Posten werden viel zu oft nach abstrusesten Kriterien vergeben und nicht selten sind Mauscheleien und undurchsichtige Netzwerke der Grund. Nicht immer ist das so offensichtlich irre wie bei Hans-Georg Maaßen. Die Plaudertasche des Verfassungsschutzes baute totalen Mist und bekommt zunächst einen besser bezahlten Job angeboten.

Gern erklären mir Männer dann, dass sie es auch nicht leicht haben. Auch sie müssen hart arbeiten, um Karriere zu machen, um etwas aufzubauen. Natürlich stimmt das. Aber Männer kommen mit einem anderen Startkapital auf die Welt. In Japan bekamen sie z.B. mehr unberechtigte Punkte in Medizintests, während Frauen Punkte abgezogen wurden.

Bei Frauen wird nach wie vor angenommenen, dass sie sich um Ihre Kinder kümmern werden. Frauen gelten durch die Möglichkeit einer Schwangerschaft als Risiko in unserer Arbeitswelt, Bei Männer nicht. Auch erlebe ich immer wieder, dass Männern einfach aufgrund ihres Geschlechts Kompetenz unterstellt wird. Frauen müssen beweisen, dass sie kompetent sind, Männer müssen beweisen, dass sie inkompetent sind. Sicher muss auch ein Mann beruflich was leisten, um voran zu kommen. Sein Maßstab ist halt nur ein anderer als der Maßstab, an dem wir Frauen uns ständig messen lassen müssen. Es ist so als würde man bei einem Kind klatschen wenn es „Mama“ sagt und bei dem anderen erst, wenn es an der Tafel eine Kurvendiskussion rechnet.

Lange Jahre habe ich versucht, Menschen von Gleichberechtigung zu überzeugen. Es ist ja ein Irrglaube, dass der Feminismus Männer hassen würde. Feminismus möchte Gleichberechtigung und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sie für uns alle gut wäre. Im Patriarchat geht es ja auch nicht allen Männern gut. In unserer Gesellschaft geht es denen gut, die Macht und Sagen haben und weiß sind. Ihnen fallen alle Privilegien zu. Lediglich haben alle Männer das Privileg über den Frauen zu stehen. Das heißt selbst der größte gesellschaftliche Verlierer glaubt, ihm stehe es zu, Frauen zu belästigen. Das ist für viele Männer der Charme des Patriarchats. Eine gleichberechtigte Welt klingt super, aber noch viel toller ist es, wenn es immer eine Menschengruppe gibt, die ohnehin unten steht: die Frau. Außerdem kann man die ganzen Verlierer locken, in denen man ihnen erklärt, wie sie zu einem Alphatier werden. Sie kaufen Bücher oder besuchen Kurse in denen sie beigebracht bekommen, dass es ihr natürliches Recht ist, sich wie das letzte Arschloch zu benehmen. Und dann glauben sie das auch noch.

Manchmal würde ich gern Kurse halten wie: „Ficken für Anfänger“. Darin würde ich zeigen wie einfach es ist, Frauen ins Bett zu bekommen. Freundlich sein, gepflegt sein, herausfinden, was der Frau sexuell gefällt, empathisch sein, im Zweifel fragen, ob sie Lust hat, freundlich sein, ein Kondom benutzen, die Frau befriedigen mit dem was ihr gefällt (am besten mehrfach), darüber sprechen, was man selbst gut findet, nicht erwarten, dass dieses Bedürfnis sofort erfüllt wird, ein „nein“ akzeptieren, freundlich sein, sich anständig benehmen, nicht ungefragt Fotos machen, nicht schlecht über die Frau sprechen. Ich schwöre, das funktioniert.

Das Argument, dass zur sexuellen Lust auch die sexuelle Übergriffigkeit gehört, finde ich unfassbar absurd. Ich befürchte, dass manche Menschen Leidenschaft mit sexueller Übergriffigkeit verwechseln. Sehr gern werde ich an die Wand gedrückt und wild geküsst aber doch nicht von jedem daher gelaufenen Heini! Und auch nicht zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort. Es gibt einen Unterschied zwischen Fantasie und Realität. Sex ist meist dann besonders gut, wenn die Realität so gut ist wie die Fantasie. Das setzt aber voraus, dass alle Beteiligten sich vorher auf die Fantasie geeinigt haben. Die Fantasie des/der einen kann der Horrortrip des/der anderen sein.

Insofern habe ich überhaupt kein Problem damit, meinen Lebensalltag nicht erotisch zu gestalten. Ich kann hervorragend auf Poklapser, Cat Calling und anzügliche Anspielungen verzichten. Ich kann mich an keine Situation in meinem Leben erinnern, in der ich gern darauf eingegangen bin und mehr wollte. In Anbetracht der Tatsache, dass mir schon einige Männer auf Twitter geschrieben haben, dass ich mich noch umschauen würde, wenn das auf einmal wegfällt kann ich nur sagen: „Oh bitte, können wir es umgehend ausprobieren. Ich melde mich, sobald mir etwas fehlt.“

Aber mit diesem Argument werden die eigentlichen Gründe ohnehin nur verschleiert. Es geht um Macht und Ignoranz. Heute wurde Sigi Maurer in Österreich zu 7.000€ Strafe verurteilt. Ein Bierladenbesitzer hatte ihr folgende Nachricht gesendet:

Sie hatte diese Nachricht im Original mit Namen gepostet. Der Mann hat sie angeklagt wegen Rufschädigung und behauptete, die Nachrichten nicht selbst geschrieben zu haben. Und obwohl der Richter ihm nicht glaubt, wurde Maurer wegen übler Nachrede verurteilt. Sie hätte vor der Publikation von dem Bierladenmann eine Stellungnahme einholen sollen. Es lässt mich zutiefst verzweifeln, wenn ich sowas lese. Es gibt nur wenig Schutz gegen (sexuelle) Beleidigung und wenn sich eine Frau wehrt, wird sie auch noch verklagt.

Eine ähnliche Wut empfand ich, als Kavanaugh zum obersten Richter gewählt wurde. Es gibt keine Empörung für Männer, die Frauen schlecht behandeln. Der Fall Kavanaugh zeigt ganz klar, dass die sexuelle Unversehrtheit von Frauen den meisten Männern egal ist. Sie wird wenn dann nur aufgenommen, wenn sie für andere politische Ziele eingesetzt werden kann, z.B. die Diskreditierung von Muslimen. Frei nach dem Motto: der weiße Mann allein darf eine Frau vergewaltigen.

Und auch der Fall Ronaldo beweist diese Scheiß-egal Haltung von Männern gegenüber sexueller Gewalt an Frauen. Sophie Passmann fasst dies in ihrer Ronaldo-Story perfekt zusammen. Ronaldo hat gegenüber seinen Anwälten gesagt:

Wie kann es so schwer sein, ein „nein“ ernst zu nehmen? Kann man nicht wenigstens fragen: „Soll ich aufhören?“ oder „Meinst Du das ernst?“ Ich stelle mir gerade vor, wie ich in einem Laden bin und hinter der Theke sitzt eine ältere Frau. Ich klaue ihre Ware und sie sagt immer wieder, dass ich damit aufhören soll. Und ich mache einfach weiter, weil sie sich nicht genug wehrt. Und am Ende behaupte ich, sie hätte mir schließlich das Zeug freiwillig gegeben. Bei einem Richter wie der, den Sigi Maurer hatte, käme ich damit sicher davon. Jedenfalls wenn ich ein Mann wäre.

Interessant sind zum Fall Ronaldo auch die Twittermeldungen. Es gibt nämlich keine. Keine Empörung, keine Entrüstung, keine Wut. Jedenfalls nicht von Männern. Ein paar Frauen regen sich auf, ein paar Verlinkungen zu dem Spiegel-Text. Ansonsten Schweigen. Da ich weiß, was vor ein paar Wochen bei Özil los war, habe ich einen Vergleich.

Und da ist sie wieder die Wut. Die Wut darauf, dass es Männern scheiß egal ist, ob eine Frau vergewaltigt wird oder nicht. Jedenfalls solange es ein weißer Mann es tut. Gleichberechtigung ist Männern egal. Im Gegenteil, es geht ihnen um den Erhalt ihrer pa­triarcha­lischen Privilegien auf dem Arbeitsmarkt und im Bett und sonst wo. Und ganz sicher wird gleich die erste empörte Meldung zu #notallmen kommen. Oder mir schreibt einer, dass wir Frauen unsere Forderungen noch ein bisschen besser erklären sollen, schließlich ist das für Männer was ganz Neues. Oder mir legt einer nah, wir Frauen sollen doch mal klar aber eben nicht hysterisch Forderungen stellen. Oder wir sollten uns halt noch ein bisschen mehr anstrengen, Leistung wird sehr wohl belohnt.

Aber sorry Männer, dass kann ich nicht mehr ernst nehmen. Ihr seid das Problem. Eure Glaubwürdigkeit ist verspielt. Die müsst ihr Euch erstmal wieder erarbeiten. Wie?

Ganz einfach. Erstmal nicht in den Verteidigungsmodus schalten und brüllen „Ich mache das aber nicht.“ Sondern zuhören und überlegen, kann es sein, dass die Frau Recht hat mit dem, was sie schreibt? Wo habe ich mich schon doof verhalten? Wo habe ich die Fresse gehalten? Welche Vorurteile habe ich gegenüber Frauen? Sind sie womöglich gar nicht berechtigt? Was kann ich ändern? Warum muss ich an einem Panel mit 100% Männeranteil teilnehmen? Muss ich auf meinen Privilegien bestehen oder habe ich Lust, an einem neuer Gesellschaftsstruktur zu mitzuwirken?

Es gibt noch viel mehr, aber das wäre schonmal ein guter Start.

Peace


http://www.journelle.de/5515/maenner-wir-muessen-reden/

Sent with Reeder