Die Linke ist dafür und dagegen und enthält sich.

Die Linke hat ihr grundsätzliches Nein zu Auslandseinsätzen aufgegeben. 

Das hat Gründe. 

Erstmals haben am Mittwoch fünf Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke einen Auslandseinsatz der Bundeswehr unterstützt. 18 weitere Linke-Parlamentarier enthielten sich der Stimme, 35 stimmten dagegen. In der Bundestagsdebatte über die »Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz« für die Vernichtung syrischer Chemiewaffen an Bord des US-Schiffes »Cape Ray« begründete der Linke-Abgeordnete Jan van Aken am Mittwoch das unterschiedliche Abstimmungsverhalten seiner Fraktion wie folgt:

Jan van Aken (Die Linke): Es gibt sehr viele sehr gute Argumente für diesen Einsatz, und es gibt sehr viele sehr gute Argumente gegen diesen Einsatz. Wir haben in der Fraktion darüber diskutiert. Er wurde von verschiedenen Personen unterschiedlich bewertet. Einige werden dafür stimmen, einige dagegen, andere werden sich enthalten. 

Ich will ganz vorne anfangen. Es geht um die Vernichtung syrischer Chemiewaffen im Mittelmeer und den militärischen Schutz durch eine deutsche Fregatte. Ich glaube, in einem Punkt sind wir uns alle einig: Es ist völlig richtig und wichtig, daß die syrischen Chemiewaffen jetzt komplett vernichtet werden.

Ich muß sagen, daß es für mich ganz persönlich auch eine Herzensangelegenheit ist. Ich habe die letzten 15 Jahre vor allem damit zugebracht, für die Vernichtung aller biologischen und chemischen Waffen auf der Welt zu kämpfen, zwei Jahre lang auch als UN-Biowaffeninspektor. Deswegen bin ich jetzt sehr erleichtert und froh darüber, daß auch das syrische Chemiewaffenprogramm endgültig vernichtet wird. (...)

Es ist richtig, wie die Vernichtung der Waffen geschieht, nämlich auf einem Schiff im Mittelmeer. Das ist unter Sicherheitsaspekten und aus ökologischer Sicht die beste Methode. Da wird nichts ins Meer gekippt. Das ist ein geschlossenes und solides System. Das finde ich als alter Umweltaktivist völlig in Ordnung. Herr Mützenich, natürlich muß dieser Prozeß und muß auch das Schiff bewacht werden. Dazu gibt es keine zwei Meinungen; denn niemand kann ernsthaft riskieren, 20 Tonnen Senfgas mehrere Monate lang ungeschützt über das Mittelmeer schippern zu lassen. So gering die Gefahr auch sein mag: Sie ist nicht gleich Null.

Das alles sind sehr gute Argumente für diesen Einsatz. Aber wir können den Einsatz doch nicht isoliert betrachten. Er findet nicht in einem luftleeren Raum statt. Praktisch zeitgleich, innerhalb einer Woche werden hier im Bundestag zwei ganz neue Bundeswehrmandate verabschiedet: eines für Somalia und eines für die Zentralafrikanische Republik. Da wird doch in allerkürzester Zeit genau das zur Realität, was Herr Gauck, Frau von der Leyen und Herr Steinmeier erst vor kurzem verkündet haben, nämlich eine systematische Ausweitung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Diese Militarisierung der deutschenn Außenpolitik wird Die Linke niemals mittragen.

(Beifall bei der Linken - Thomas Hitschler [SPD]: In diesem Zusammenhang? Das ist nicht zu glauben!)

Sie reden hier immer von Verantwortung. Aber wissen Sie eigentlich, was in diesem Fall echte Verantwortung hieße? Fangen wir doch einmal an:

Erstens.

Stoppen Sie endlich alle heiklen Chemiewaffenlieferungen, vor allen Dingen an die Länder, die die Chemiewaffenkonvention noch nicht ratifiziert haben! Das haben wir beantragt. Dem können Sie gleich zustimmen. Das wäre einmal ein Beispiel dafür, wie man Verantwortung übernimmt.

Zweitens.

Binden Sie Rußland wieder ein! Es war ein fataler Fehler, Rußland
rauszukegeln.

Wir wissen doch alle, daß Assad sein Chemiewaffenprogramm ohne den Druck
aus Moskau nie aufgegeben hätte. Sie aber kegeln Rußland jetzt raus.

(Beifall bei Abgeordneten der Linken - Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]:
Völliger Unsinn! - Florian Hahn [CDU/CSU]: Es kegelt sich selbst raus!)

Drittens.

Ziehen Sie sofort die Bundeswehr samt ihrer Patriot-Raketen aus
der Türkei zurück!

Denn damit unterstützen Sie eine ganz gefährliche Politik der Türkei auf Kosten der Menschen in Syrien.

Das wäre für mich Verantwortung.

Diese verweigern Sie aber. Das einzige, was Sie in einer solchen Situation tun, ist das, was Sie so oft tun: mal wieder ein deutsches Kriegsschiff schicken. Das ist zu wenig. Hinzu kommt, daß das konkrete Mandat, zu dem Sie hier einen Bericht vorgelegt haben, wirklich zum Himmel stinkt. Das gibt mir allen Grund zu Mißtrauen. Sie legen den gesamten Einsatz als NATO-Mandat an. Warum machen Sie daraus keine UN-geführte Operation? Das machen Sie nicht; Sie legen das als NATO-Mandat an. Dann weiten Sie den Einsatz auf den Nordatlantik und alle angrenzenden Seegebiete aus. Wir haben nachgefragt: Warum? Herr Mützenich, auch von Ihnen habe ich heute keine Antwort bekommen. Ich bekomme auch aus den Ministerien keine Antwort. Der Einsatz wird ohne jeden Grund auf die halbe Welt ausgeweitet. Was soll das? Jetzt kommt etwas, von dem ich befürchte, daß es draußen in der Welt kein Mensch versteht: Sie wußten vorgestern noch nicht einmal, wie viele Kriegsschiffe eigentlich vor Ort sind. Mir wurde vom Verteidigungsministerium im Auswärtigen Ausschuß gesagt, dort seien zwei Kriegsschiffe, und zwar eines von den USA und eines von Deutschland - mehr nicht. Zur gleichen Zeit hieß es im Verteidigungsausschuß, es seien drei Kriegsschiffe, ein U-Boot und vielleicht noch ein bißchen mehr.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Wir haben nachgefragt. 24 Stunden lang haben wir keine Antwort bekommen. Sowohl im Verteidigungsministerium als auch im Auswärtigen Amt wußte niemand, wie viele Schiffe beteiligt sind.

Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, ein Mandat für einen Bundeswehreinsatz auf einer so dubiosen Basis vorzuschlagen.

Das alles sind aus meiner Sicht sehr gute Argumente gegen diesen Einsatz.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Sie sind isoliert in Ihrer Argumentation!)

Wir haben diese Fragen, wie gesagt, innerhalb der Fraktion diskutiert. Jeder und jede von uns hat unterschiedliche Gewichtungen vorgenommen.Deswegen werden wir unterschiedlich abstimmen. Das ist auch gut so.

Ich selbst habe hier zwei Herzen in meiner Brust. Schon aufgrund meiner persönlichen Geschichte in Sachen Abrüstung werde ich auf gar keinen Fall gegen diesen Einsatz stimmen. Aber ich kann ihm auch auf gar keinen Fall zustimmen. Ich persönlich werde mich deshalb enthalten.

(Gabi Weber [SPD]: Das ist Verantwortung! - Florian Hahn [CDU/CSU]: Sie übernehmen ja große Verantwortung! Das ist schwach! - Henning Otte [CDU/CSU]: So kommt die Welt weiter! Das heißt, Sie unterstützen die Mission nicht!)

Ich bin im übrigen der Meinung, daß Deutschland keine Waffen exportieren und auch keine Chemiewaffenfabriken unterstützen sollte; das will ich ganz zum Schluß noch sagen. Es waren - das wissen Sie - vor allem deutsche Firmen, die in den 80er- und 90er-Jahren das syrische Chemiewaffenprogramm mit aufgebaut haben.

(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Richtig! Und daraus erwächst die Verantwortung!)

Ich befürchte sogar, daß der tödliche Einsatz von Giftgas am 21. August 2013 ohne deutsche Hilfe nicht möglich gewesen wäre. Ich finde, wir müssen alle endlich Konsequenzen daraus ziehen und dafür sorgen, daß nie wieder irgendwo auf der Welt ein Chemiewaffenprogramm aus Deutschland unterstützt wird.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Und dann enthalten Sie sich! Ganz groß!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Linken - Henning Otte [CDU/CSU]: Endlich ist es vorbei!)

www.bundestag.de

via [Junge Welt]